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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe III (1888 / 10)

au: 
Schattenseiten des Fabrikswesens mit in den Kauf zu nehmen brauchten. 
Eine Folge davon ist, dass z. B. die. großen Textilfabriken in der Rhein- 
thalebene unter den Einheimischen nicht die erforderlichen Arbeitskräfte 
finden, die Fabriksbevölkerung sich daher zum allergrößten Theile aus 
Italienern zusammensetzt. Die sociale Frage erscheint somit auf diesem 
Boden in einer Weise gelöst, wie sie manchem Volkswirthe als Ideal 
vorschweben möchte: maschinenmäßiger Betrieb zur Massenerzeugung, 
ausgeübt durch sesshafte Grundeigenthümer. 
Wenn nun auch diese heutige textile Hausindustrie in ihren Zielen 
und ihren Betriebsmitteln ganz auf modernem Boden steht, so darf doch 
gesagt werden, dass sie nur deshalb hier so rasch und so tief Wurzel 
gefasst hat, weil in der Bevölkerung die Uebung der Hausstickerei 
offenbar nie ganz erloschen ist, der Zusammenhang mit der älteren tra- 
ditionellen Textilindustrie nie ganz unterbrochen wurde. Wir haben ja 
in den letzten Jahrzehnten zu wiederholten Malen die Erfahrung gemacht, 
dass überall da, wo einmal eine alte Industrie geblüht hat und das Be- 
wusstsein davon nur einigermaßen wach geblieben ist, diese Industrie 
sich mit Erfolg zu neuem Leben erwecken ließ. Wo im Bregenzer Walde 
der Zusammenhang zwischen der modernen und der alten Textilindustrie 
zu suchen ist, das wurde schon am Eingange angedeutet. In der weib- 
lichen Volkstracht haben sich die unzweideutigen Spuren einer Haus. 
stickerei und Spitzenklöppelei erhalten, die vor Zeiten achtunggebietend 
genug gewesen sein mochten, und noch heute nach Muster und Aus- 
führung so viel Gemeinsames zur Schau tragen, dass man füglich 
immerhin von einem geschlossenen Stilcharakter reden kann. Die Unter- 
lage ist schwarzes Tuch oder Sammt, die Stickerei durch Plattstich in 
gold- oder dunkelfarbiger Seide ausgeführt, das Muster ein stilisirtes 
Rankenornament, oft von tadelloser Reinheit der Zeichnung. S0 Findet 
man gelegentlich auf einem Fürtuch in sehr flachem Relief in Gold 
gestickt einen Rankenfries, dessen Schwung und Rhythmus der besten 
italienischen Frührenaissance entlehnt erscheinen möchte. Und doch 
nirgends eine Spur von einem Musterbuch, überall ein gleicher gemein- 
samer Grundton, der nur durch eine langgeübte, in Fleisch und Blut 
übergegangene Kunstweise hervorgebracht sein kann. Das Gleiche gilt 
von der Rückenspange, die auf dem Kissen in Goldfäden geklöppelt wird. 
Da es nicht wahrscheinlich ist, dass die Klöppelei seinerzeit blos der 
kurzen Rückenspange halber Eingang gefunden hat, so muss man wohl 
annehmen, dass man vor Zeiten überhaupt mit der Klöppelei so vertraut 
gewesen ist, wie in anderen deutschen Ländern, und dass nur die Mode 
seither den Gebrauch von weißen Klöppelspitzen verlassen hat. Fragt 
man sich aber, von wem diese gestickten und geklöppelten Bestandtheile 
der Tracht heutzutage gefertigt werden, so sind es freilich auch nicht 
mehr die Trägerinnen selbst, die sich diesen ihren Schmuck rnit eigener 
Hand zurechtrichten, aber nichtsdestoweniger sind es einheimische Töchter
	        
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