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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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Zügen zu erkennen vermochte, bei dem österreichischen Porcellan war 
das nicht mehr der Fall. Die verschiedenen Fabriken waren künstlerisch 
zu unbedeutend, um solche Ansprüche zu erheben oder den Stolz indi- 
viduellen Charakters zu besitzen. 
Das nun scheint sich heute zu ändern, wenn die diesjährige Aus- 
stellung uns bereits einen Schluss gestattet. Wir haben fünf Aussteller, 
Fischer von Herend, Rädler 8c Pilz, Wahliss, Knoll, Haas 
G! Czizek. Sie alle, Knoll freilich am wenigsten, erscheinen mit mehr 
oder weniger ausgeprägter Physiognomie. Unter ihnen ist Fischer in 
seiner Weise zu bekannt, um weiter darauf eingehen zu müssen. Haas 
81 Czizek vertreten das gut bürgerliche Haus mit einem einfach und in 
dieser Einfachheit zum Theile recht gelungen decorirten Tafelgeschirre -- 
ein durchaus wohlberechtigter Standpunkt. Glänzend stellen sich ihnen 
Rädler 8x Pilz, keine Fabrik, sondern eine Anstalt für Porcellanmalerei, 
mit einer Fülle reinen Luxusgeräthes zur Seite, das insoweit noch einen 
bestimmteren Charakter trägt, als die beste Zeit und der berühmteste 
Styl der kaiserlichen Fabrik, das will sagen: die Arbeiten der Zeit von 
1790 bis 1810, fast einzig zum Vorbilde gedient haben. Die sehr bedeu- 
tende Collection zeigt Leistungen, die zum Theile absichtlich - des 
Preises wegen - schwächer oder minder reich gehalten sind, die Mehr- 
zahl aber dürfte sich kühn, was Reichthum und Ausführung betrifft, den 
alten Mustern an die Seite stellen. Es wäre ein glückliches Zeichen, 
wenn diese Arbeiten fortan um ihrer selbst willen, weil sie schön, weil 
sie Kunstwerke sind, und nicht um des Ruhmes der alten Vorbilder oder 
anderer äusserer Gründe willen wieder Liebhaberei der Kunstfreunde 
würden. Vertreten Rädler 81 Pilz den alten Styl, so stellt sich Wahliss 
auf den modernen Standpunkt, man kann nicht sagen: den modernsten, 
denn heute sind wir nahe daran, dass das Alte das Neueste und das Mo- 
dernste ist. Die moderne Art bringt viel Willkür mit sich, die man euphe- 
mistisch in der Kunstindustrie Phantasie zu nennen pflegt, und so findet 
sich auch Derartiges in der reichen und glänzenden Collection, welche 
uns Wahliss vor Augen führt. Besonders gilt dies von dem grossen, mit 
Jagdthieren und Jagdemblemqi geschmückten Service, sowohl in Bezug 
auf die Formen der Gefässe wie auch in Bezug auf die Malereien. Wie 
aber heute bereits der moderne Charakter sich sehr wohl rnit reinen 
Formen und stylvoller Ornamentation verträgt, so sehen wir auch solche Bei- 
spiele von strengerer Art neben denjwillkürlichen. Eine Reihe Teller zeigt 
die Ornamente der besten Wiener Art, andere Gegenstände, Services, 
Dejeuners u. s. w., umgeben sich mit zierlichem, stylvollem Ornamente 
in zarter und präciser, dem Materiale ganz angemessener Ausführung, 
und da diesem Charakterauch die Formen entsprechen, so bilden sie 
eine eben so angenehme wie elegante Erscheinung. - So haben wir, 
Alles in Allem genommen, immerhin Ursache, mit der Art, wie sich das 
österreichische Porcellan auf der Weihnachts-Ausstellung darstellt, zu-
	        
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