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den Baubeamten der Gubernien überlassen, die Innendecoration der Kirche
beschränkte sich auf das Nothwendigste, und da alle Kunst aus Bestre-
bungen entspringt, welche über das Mass der Nothdurft hinausgehen, und
keine Kunst aus der geistigen und materiellen Bedürfnisslosigkeit entspringt,
so war auch die kirchliche Plastik auf ein sehr bescheidenes Feld der
Thätigkeit beschränkt; noch heutigen Tages leidet die Kunst in der Kirche
an dem staatlichen Bevormundungssysteme, dem, um nur ein Beispiel an-
zuführen, der Ausbau von Klosterneuburg und die Vollendung der Innen-
decoration der Kirche zum heiligen Kreuz zum Opfer fällt. Den Um-
schwung der Kunst einer späteren Zeit, unmittelbar vor dem Jahre 1848,
auf diesem Felde, kennzeichnet die Johanniskirche des Prof. Rösner in der
Praterstrasse, wo es möglich war, an der Facade zwei grosse Statuen von
künstlerischer Bedeutung anzubringen, welche Prof. Bauer nicht u-nrühmlich
durchgeführt hat, und ein Marmorrelief an dem Tympanon des Portales,
welches dem Bildhauer Dietrich übergeben wurde, einem höchst achtbaren
und tüchtigen Künstler, der es bei der damaligen Lage der Dinge niemals
zu einer grösseren Selbstständigkeit bringen konnte und in den letzten
Jahren seines Lebens durch staatliche Almosen ernährt wurde, bis der Tod
ihn von den Sorgen des Lebens befreit hat. Auch die Industrie bot der
Plastik wenig Hilfe; die Marmorbrüche standen verwaist, die Eisengiesse-
reien erhoben sich nur zu der gewöhnlichsten Leistungsfähigkeit. Nur die
Salm'sche Eisengiesserei in Blansko machte zur Zeit als Reichenbach die-
selbe leitete, nicht unrühmliche Versuche im Kunsteisenguss.
Ein Preusse, Herr Glanz, versuchte in Wien den künstlerischen Eisen-
guss zu fördern, der Bayreuther Hollenbach belebte hier zuerst den Bronze-
guss. Für industrielle Zwecke war der Bildhauer Ramrnelmayr thätig.
Auch die Meerschaumwaarenfabrication beschäftigte das plastische Talent
der Arbeiter. Die kaiserliche Porcellanmanufactur, die zu den Zeiten Grassi's
einen grossen künstlerischen Aufschwung, auch im figuralcn Theile ge-
nommen hatte, und wie ein grosses Kunstinstitut geleitet wurde, welchem
auch ein Museum der Gypsabgüsse zur Verfügung stand, hatte ihren
Höhepunkt bereits im Jahre 1820 erreicht, ging von Stufe zu Stufe ab-
wärts, bis sie endlich dem Utilitarismus der Baumgartnerischen Finanzver-
waltung und der beschränkten Rivalität der böhmischen Porcellanfabri-
kanten, die im Reichsrathe eine Stütze fanden, zum Opfer fiel. Der ein-
zige Ort, wo das bureaukratische Bevormundungssystem einen erfolgreichen
Widerstand fand, war zwischen 1840-1850 Prag. In loyalen Formen
wurde demselben, nicht blos auf dem Gebiete der bildenden Kunst, ent-
gegengetreten. Bei diesen Vorgängen, die unmittelbar dem Jahre 1848
vorausgingen, muss man ein wenig verweilen, denn sie übten auf Wien
in späterer Zeit einen mächtigen Rückschlag. Eine tiefere Kunstbewegung
ging damals von Prag aus. Sie stund mit der ständischen Bewegung in
Verbindung, welche das Wiener Regierungssystem bekämpfte. Das war
jene Zeit, wo noch Mitglieder des hohen Adels an den uGrenzbotenu mit-