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Full text: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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ihn später zeitweilig fortriss, hemmten seine Thätigkeit. Romantiker, der 
er war , auf die Empfindung mehr Gewicht legend als auf die Schönheit 
der Form, widmete er dem Studium der Antike und dem der menschlichen 
Gestalt nicht jene Hingabe, welche wir bei allen hervorragenden Bild- 
hauern finden, deren Leben und Werke wir genau kennen. 
Wir müssten bei unseren Betrachtungen weit ausholen, wenn wir 
die tieferliegenden Gründe auseinandersetzen sollten, welche überhaupt in 
der christlichen Aera der Plastik hemmend entgegentraten. Selten gelang 
es ihr, zu einer selbstständigen und führenden Rolle zu gelangen; einige 
Jahrhunderte hindurch dominirte ausschliesslich die Architektur, und im 
17. und 18. Jahrhundert waren alle Künste vorn malerischen Geiste durch- 
drungen. Nur ausnahmsweise im 15. und r6. Jahrhundert trat die Plastik 
selbstständig hervor und stellte sich mit ihren beiden Schwesterkünsten 
in ein geistiges Gleichgewicht. Dieser Harmonie der drei grossen Künste 
verdankt die Renaissance ihre hervorragende Stellung in der Kunst. Diese 
Harmonie muss angestrebt werden als Ideal und als Princip, und es darf 
dieser grosse Gesichtspunkt keinen Augenblick aus dem Auge verloren 
werden, im Kunstleben sowohl wie im akademischen Leben. Die Wiener 
Akademie verfolgt dieses Ziel ihrer ganzen Organisation nach. Sie hat 
der Sculptur jene Stellung eingeräumt, die ihr gebührt; aber das geschah 
erst in neuerer Zeit. In der Zeit, als die Stadterweiterung in Gang kam, 
gab es an dieser Anstalt eigentlich nur zwei Hauptfächer, die Malerei und 
die Architektur. Die Sculptur hatte nur Einen Lehrer und zwar nur in der 
allgemeinen Bildhauerschule. Die Architektur beherrschte die ganze Stadt- 
erweiterung in souveräner Weise. So kam es, dass, während das Bauleben 
dominirte, die Egurale Plastik nicht in der Lage war, eine selbststän- 
dige Stellung einzunehmen; die ornamentale Plastik hingegen schloss sich 
ihrer Natur nach eng an die Architektur an, und empfing von ihr Rich- 
tung und leitende Gesichtspunkte. Auf dem Gebiete der decorativen Plastik 
regten sich Talente von allen Seiten. Würde das Handwerk nicht in so 
hohem Grade künstlerisch heruntergekommen sein, wie es der Fall war, 
so würde die ornamentale Plastik einen relativ noch grösseren Aufschwung 
in Wien genommen haben, als es thatsächlich geschehen ist. Insbeson- 
dere aber sind es einige ältere Verzierungs-Bildhauerz, die in Wien eine 
hervorragende Stellung einnehmen, und die auch selbstständig den Platz 
zu behaupten fähig sind, wie Schönthaler, La Vigne, Pokorny. Diese 
Künstler bedürfen nicht einer directen Verschreibung der Architekten, 
sondern es genügt, dass ihnen die Aufgaben skizzirt werden, um sie dann 
in selbstständiger Form auszuführen. Aber die Mehrzahl der Arbeits- 
kräfte ist nicht hinreichend vorgebildet und überall macht sich Mangel 
an kunstgebildeten Handwerkern im Bauleben Wiens fühlbar. Erst in der 
jüngsten Zeit sorgte man in der Kunstgewerbeschule des Museums und 
in den allgemeinen Zeichenschulen für die Kunstbildung der Kunst- 
hanclwerker. 
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