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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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Blüthe des überstürzten Baulebens eine capitix. diminutio der Plastik, 
welche den echten Künstlern auf diesem Felde nur nachtheilig sein 
konnte. Dazu kam, dass das Publicum den Maßstab für die Beurtheilung 
des Kunstwerkes verlor und die Wohnungsnoth aufNiemanden drückender 
fiel, als eben auf Bildhauer. Dazu kam, dass nicht nur eine wohlfeile 
Arbeit, sondern auch ein billiges Material gesucht wurde, das die Bau- 
herren befriedigte, aber der plastischen Kunst nicht zu Gute kam. 
Das Material ist für jede Bildhauerarbeit von entscheidendem Ge- 
wichte, jedes von den Materialien, welche für Plastik verwendet wird, 
hat seinen eigenthümlichen Reiz, seine Bedingungen, unter denen es 
mit Erfolg verwendet werden kann. In Wien sind es vorzugsweise das 
Erz, der Marmor, der Istrianer Stein, der einheimische Sandstein und 
die Terracotta, welche in Betracht kommen. Die Holzplastik ist we- 
niger in Uebung, auch für Innendecoration der Kirchen wird das Holz 
weniger verwendet als es wünschenswerth ist. Man gebraucht daselbst 
sehr häufig den sog. Sandstein, wo, würde man den Traditionen des Mittel- 
alters und der Frührenaissance folgen, viel besser das Holz verwendet 
würde. Es würde auch dieses Material, insbesondere den Bildhauern aus 
Tirol, homogener sein, als der Sandstein; auch die Polychromie eignet sich 
viel mehr für Holzfiguren als für solche aus Stein. Auch Stucco wird 
relativ wenig verwendet; dieser kommt nur bei decorativen Innenarbeiten 
in Betrachtung. Die eigentlichen Materialien für Plastik sind Marmor und 
Erz; das vornehmste Material ist ohne alle Frage das Erz. Seit der Grün- 
dung der kaiserlichen Kunsterzgiesserei wird Bronze reicher verwendet, 
als es je in früheren Zeiten in Wien der Fall gewesen ist. Abgesehen von 
der Dauerhaftigkeit von Erzfiguren, wirkt das Erz mit seiner Leuchtkraft 
und seinem Goldton, dann später durch seine Patina und verfehlt seine 
Wirkung nie, wenn es in rechter Art verwendet ist. Es wird jetzt der 
Bronzetechnik eine grössere Aufmerksamkeit zugewendet. Die Bronze- 
Industrie-Gesellschaft richtet ihre Blicke auf das Treiben und Ciseliren 
und auf die Patinirung, wie auf alle Fragen, welche sich auf die Behand- 
lung der Oberfläche von Erzfiguren beziehen. Für das ganze Gebiet der 
Plastik ist es schon ein grosser Gewinn, dass überhaupt Fragen ähnlicher 
Art angeregt und besprochen werden. Dazu kommt noch, dass einige 
Bronzegiesser in jüngster Zeit hervorgetreten sind, welche den Bronzeguss 
für Figurale Plastik vollständig verstehen. 
Die Bronzetechnik darf nicht allein vom grossen künstlerischen Stand- 
punkte aus betrachtet werden; ihr zur Seite muss auch eine kunstgebil- 
dete Industrie stehen, und ein Publicum, welches die Schönheiten der 
Technik empfindet und werthschätzt. In Frankreich ist dies in hohem 
Grade der Fall, während in Oesterreich und in Deutschland diese beiden 
Factoren, die für die Entwicklung der Bronzetechnik wichtig sind, fast 
gänzlich fehlen: die kunstgebildete Metallindustrie und der feinsinnige 
Amateur. Es gehört nicht zu den Lebensgewohnheiten unserer vornehmen
	        
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