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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XII (1877 / 136)

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Zwangslagen nicht gefallen lassen. Allerdings liegt in diesem freien Be- 
stimmungsrecht manche Gefahr; aber man darf nicht verkennen, dass eben 
auch dadurch die Gelegenheiten vermehrt werden zu Bestellungen für 
Kunstwerke und dass der Ehrgeiz in den verschiedenen Körperschaften 
wach gerufen wird, Kunstwerke zu bestellen. Und darauf muss der Accent 
gelegt werden, und es müssen auch die Bemühungen aller intelligenten Bild- 
hauer darauf gerichtet sein, dass sich die Gelegenheiten zu Bestellungen von 
selbstständigen Bildhauerwerken in ganz Oesterreich vermehren; daher muss 
den Bestellern auch die volle Freiheit in der Wahl der Künstler gewahrt 
werden. Ob das Werk einem Inländer oder einem sogenannten Auslän- 
der zu Gute kommt, das ist von secundärer Bedeutung, wenn nur der 
eingewanderte Künstler tüchtig ist und in Oesterreich seinen bleibenden 
Aufenthalt nimmt. Die Kunst ist eben keine Zunft und ist es auch nie 
gewesen. ln der Freiheit der Bewegung der Künstler aller Welt und in 
der Wechselseitigkeit auch der Kunstwerke liegt ein bedeutsames Element 
des Fortschrittes auf dem Gebiete der Kunst. Auf diesen Elementen be- 
ruht auch wesentlich das Wiener Kunstleben auf dem Gebiete der Archi- 
tektur wie nicht minder auf dem Gebiete der Sculptur. Von den Zeiten 
Burnacini's angefangen, bis auf die Gegenwart nahmen auswärtige Bild- 
hauer auf die Entwicklung Wiens Einfluss. Das ist nicht blos in der 
bildenden Kunst der Fall, sondern auch im grossen industriellen und im 
wissenschaftlichen Leben, in militärischen wie in den Kreisen der vorneh- 
men Gesellschaft. Wien und Oesterreich würde geistig das nicht gewor- 
den sein was es ist, wenn nicht seit jeher hervorragende Künstler oder 
hervorragende Gelehrte verschiedener Nationen Wien geistig befruchtet hät- 
ten. Das geistige Leben Wiens darf nicht auf einen partikularistischen oder 
nationalen lsolirschemel gestellt werden, wie es in Pest, Agram oder 
Krakau geschieht. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, wenn bei Künst- 
lern und bei Gelehrten, welche ihren bleibenden Aufenthalt in Oesterreich 
nehmen -darauf ist das Hauptgewicht zu legen -immer von Ausländern 
gesprochen wird. Sind Prinz Engen, Loudon und Schönhals nicht als gute 
Oesterreicher zu betrachten? Dürfen wir uns etwa schämen, dass ein Swieten, 
Peter Frank, oder Boär, ein Füger, Peter Krafft, oder Fritz L'Allemand 
ihren bleibenden Aufenthalt in Oesterreich, in Wien genommen haben? 
Sind die deutschen und niederländischen Adelsgeschlechter, die in Oester- 
reich ihren stabilen Wohnsitz genommen haben, nicht Träger des öster- 
reichischen Staatsgedankens geworden? - Oesterreich ist einmal ein con- 
tinentaler Binnenstaat, der naturgemäss stammverwandte Elemente aus den 
Nachbarländern in sich aufnehmen muss, wenn er nicht zu Grunde gehen 
will. Sorgen wir nur dafür, dass diese Elemente, die Oesterreich befruch- 
ten, tüchtige sind; nur vor rnittelmässigen Kräften möge uns der Him- 
mel bewahren; denn nur die bare Mirtelmässigkeit ist ein Hinderniss 
der Kunst.
	        
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