Karls des Gr. Bildniss in Haar, Bart und Kleidung zu erwähnen. Der Aenderung in der
Kleidung der fränkischen Grossen bis zu den Zeiten Kaiser Heinrich Il. und den An-
zeichen einer neuen Zeit rnit der Verlängerung des inzwischen auch weit gewordenen Rockes
ging die Ausbildung der weiblichen Tracht aus ihrem früheren halb barbarischen unfer-
tigen Gahren zwischen heidnischen, christlichen und byzantinischen Elementen parallel,
bis seit der Mitte des XI. Jahrhunderts das doppelte Kleid, bei den Männern ein Hemd
und der Rock, bei den Frauen eine obere ärmellose und eine untere längere andersfarbige
Tunica verbunden mit der ebenfalls ganz neuen Tendenz, das Kleid zu verengen und den
Wuchs zu zeigen, also der Tendenz der Taille, beherrschend wird für die nachfolgende
Kleidung des Mittelalters und der neuen Zeit.
Den Gegenstand des zweiten Vortrages (am 1.2. November) bildete die Tracht in
der Zeit des Ritterthums, da die veränderte und ge obene Stellung der Frau das ent-
scheidende wurde auf allen Gebieten der Cultur, in der Sitte, in der Kunst und Literatur,
selbst in der Religion, in welcher die Schwärmerei vom Heiland auf die Jungfrau Maria
übertragen wird und der Mariencultus beginnt. An die Schilderung des Lebens, der
Sitte, der Gesellschaft und der Poesie in ihrer ersten clsssischen Periode schloss sich ein
ausserordentlich farbenreiches Bild der damaligen Trachtentwicklung, zuerst bei der Frau
in der allmalig sich vollziehenden Vereinigung jener beiden Elemente: der Taille mit der
Tendenz, das Kleid um Brust und Hüfte rheimelich anzulegen-i und zweitens des schönen
Faltenzuges im Ober- und Unterkleide. Das ganze Cnstürn, dessen einzelne Stücke vom
Kopfe bis zu den Füssen ausführlich besprochen werden, zeigt das verfeinerte Schönheits-
gefühl dieser hofischen Zeit, auch schon in seiner vornehmen Scheu vor Ueberladung
mit Schmuck. Die Dame jener Zeit hielt auf feinen Anstand und vergass nie, dass Vsie
die Herrin, die verehrte und gefeierte war, aber sie brachte den Huldigungen des Mannes
eine freie_und edle Erscheinung entgegen und wusste sich der ritterlichen Galanterie
würdig zu zeigen durch Schönheit, Feinheit und Natürlichkeit. Bei dieser entschiedenen
Vorherrschaft der Frau, welche sich auch in der gründlichen Veränderung der ldealgestalt
des Mannes, vom früheren reckenhaft starken zur bartlosen, rosigen, lockigen Jünglings-
gestalt charakteristisch ausspricht, ist der vollständige Parallelismus der rnannlichen Tracht
zur weiblichen, welchen der Vortragende eingehend auseinandersetzt, durchaus erklarlich.
Ausführlicher Besprechung wird besonders die Kopfbedeckung des Mannes unterzogen,
welche damals zuerst bedeutungsvollere Form annimmt und in den Spielarten derselben,
sowie in der beginnenden Verengung der Beinkleider werden schon die Anzeichen einer
Aenderung, die Vorboten jener Vorliebe zum Aulfalligen und Eigenthümlichen nachge-
wiesen, welche dann im Costüm des XIV. Jahrhunderts mit dem Verfalle der Dichtkunst
und dern Niedersteigen der Frau vom Throne der Gesellschaft überhand nimmt.
In einem dritten Vortrage (am 6. December) ging Regierungsrath Falke an die
schwierige Schilderung des XIV. und XV. Jahrhunderts, jener Zeit des Ueberganges, in
welcher eine Periode der Cultur in Trümmer geht, während eine andere unter den Ruinen
hervorwachst, einer Zeit der schroffsten Gegensätze und seltsamsten Widersprüche, in
welcher die Geschichte vom Ritter auf den Bürger übergeht, ein Verfall der Sitte und
Zucht hereinbr-icht und dem entgegen die Menschheit grübelnd in sich geht, schwärmt
und sich kasteit. Nach einem Hinweis auf charakteristische gleichartige Erscheinungen auf
dem Gebiete der Kunst zeichnet der Vortragende die entsprechenden Gegenstromungen
in der Tracht vom lasciven zum klösterlich unscheinbaren, und bestimmt die Mitte des
XIV. Jahrhunderts als die Geburtszeit der Mode, entsprossen aus einer Fülle von Kleider-
formen, die sich aus der Sucht der Einzelnen ergab, einander möglichst rasch im Ueber-
springen von einem Aeussersten zum andern zu überbieten. Damals übernahmen die
Franzosen die Führung im Bereiche der Mode und bei ihnen erschienen auch die ersten
Luxusgesetze (1194): litn den Unterschied der Stande gegen die von unten aufsteigende
Prunksucht zu wahren. Gerade diese Luxusgesetze aus aller Herren Ländern boten dem
Culturhistoriker Falke ausgiebiges Material, urn ein drastsches Bild des bunten Trach-
tenspiels jener Tage zu entwerfen, mit seiner bizarren Modeerscheinung der Zotteln, der
Tendenz, den Körper durch übertriebene Enge der Kleidung langer erscheinen zu lassen,
bei den Männern noch gesteigert durch die Kapuze und die Schnabelschuhe, bei den
Frauen durch das Corset und die Schleppe und überladenen Schmuck, bis beide Ge-
schlechter auf die Schellen geriethen, die in höfischer Zeit nur Pferdeschmuck gewesen
und nach der Mitte des XV. Jahrhunderts nur mehr den Narren blieben. Aber ein Er-
gebniss jener Moden-acht dauert bis heutzutage: die Unmöglichkeit, das allzuenge Kleid
über den Kopf zu ziehen, wie bisher üblich gewesen, hatte dazu geführt, dasselbe vorne
aufzuschneiden; aus dem Ueberziehen ward ein Anziehen. und damit war auf einmal die
antike Form des Kleides in die moderne umgewandelt.
Seinen letzten Vortrag (am 13. December) begann Reg-Rath Falke mit dern Hin-
weise darauf, wie das XV. Jahrhundert auf anderen Gebieten, in der Kunst und in den