BEILAGE
zu
Nr. 14g der „Mittheilungen des k. k. Oesterr. Museums".
N. Benois, A. Resanoff et A. Krakau: Monographie de la Ca-
thedrale d'O,rviet0. Paris bei Morel, 1877. 14 SS. Text, XXX Ta-
feln. Fol.
Soeben ist eine Monographie über den Dom von Orvieto erschienen, glänzend
ausgestattet wie Alles, was die Verlagshandlung Morel in Paris verolfentlicht. Die Tafeln
sind von drei russischen Pensionaren der Akademie in Petersburg im Jahre 1842 ge-
zeichnet, in Paris gestochen und lithographirt worden. Die Tafeln l-Vlll geben Grund-
riss und Durchschnitte des Domes, dann folgen einzelne Details der Fassade und des
Pfeilers im Hauptschiie; am eingehendsten ist das prachtvolle Pult in Marqueterie
(Taf. XXll-XXV), ein Werk, das dem Sienesischen Künstler Pietro di Mirella (14. Jahrh.)
zugeschrieben wird, und das Abschlussgitter des Schlossers Conte di Lillo aus Siena vom
Jahre 1337 behandelt. Alle anderen Blätter, so vorzüglich dieselben sind, können doch
nur als Bruchsiücke betrachtet werden. Es entspricht daher der Titel "Monographie-
der Leistung nicht, denn Jedermann versteht unter einer Monographie etwas Abgeschlos-
senes und Vollendetes; besser wäre es gewesen, die Publication als ein Fragment oder
als "ein Souvenir an Orvieto zu erklären. Es ist das Orvieto des 13. und 14. Jahrhun-
derts nicht vollständig gegeben worden, und dasjenige, was die Renaissancekunst in un-
vergänglichen Zügen in dem Orvietaner Dome geschatTen hat, ist in den Tafeln gar nicht,
in dem Texte nur oberllachlich behandelt.
Der Text ist ein Specimen einer flüchtigen Arbeit; Herr J. Favre hat sich seine
Aufgabe sehr leicht gemacht. Er kennt Barbet de Jouy's Arbeit über das Reliquiar von
Orvieto und kennt auch P. Della Valle's Geschichte des Domes (1791), aber nicht einmal
Vasari ist ordentlich benützt worden; Gruner's Werk über die Reliefs an der Dom-
fassade scheint dem Verfasser ebensowenig bekannt gewesen zu sein, als die zahlreichen
kleineren Publicationen über Orvieto in der italienischen, deutschen und englischen Lite-
ratur, und das neueste Urkundenwerk über Orvieto. Der Text gibt hauptsächlich nichts
anderes, als eine etwas ausführlichere Beschreibung der Tafeln der russischen Architekten.
Wir würden es sehr bedauern, wenn die Manier, den Text zu einer grossen kostspieligen
Publication mit wenigen Seiten abzufertigen, weiter in der französischen Kunstlitenztur
um sich grille. Bei einem Baudenkmale, wie es der Dom von Orvieto ist, genügt es
nicht, einige hübsche Tafeln zu publiciren; wir verlangen Vollständigkeit und Gründlich-
keit sowohl vom artistischen als vom literarischen Gesichtspunkte.
Charles Yriarte: Venise. Paris bei Rothschild, 1878. 328 SS. Fol.
mit 525 Holzschnitten und 50 Tafeln.
- - Les Bords de PAdriaIique et le Montenegre. Mit 257 Holz-
schnitten und 7 Karten. Paris bei Hachette, 1878.
Die beiden bei Rothschild und Hachette in Paris erschienenen Werke gehören zu
den interessantesten Publicationen der Art, sowohl was Pracht der Ausstattung als auch
die relative Wohlfeilheit des Preises betrifft. Nur im Centrum des Welthandels, wie es
Paris ist, sind Werke ähnlicher Art rnoglich; dazu kommt, dass der Verüasser dieser
beiden Werke, Herr Ch. Yriarte, ein Kunstfrettnd und Gelehrter ist, der sich durch sein
reizendes Werk wLa vie d'un Patricien de Venise- einen geachteten Namen errungen hat.
Für Oesterreich hat das zweite Werk, welches den Uferlandern des Adriatischen Meeres
gewidmet ist, ein ganz besonderes Interesse. Es schildert Land und Leute in lscrien,
Triest, Dalmatien und Croatien in geistreicher Weise und gibt in einer grossen Anzahl
von Bildern Costüme, Baudenkmale und landschaftliche Scenerien aus den österreichischen
an der Adria gelegenen Ländern. Wir können beide Werke unseren Lesern bestens
empfehlen, würden jedoch das Werk über Venedig dem über die Uferlander der Adria
vorziehen.
Trotz der vielen Vorzüge beider Werke konnen wir aber doch nicht umhin, zu
wünschen, dass bei einer neuen Auflage eine Menge von Flüchtigkeiten corrigirt werden
mochten, Besonders das zweite Werk ist reich an Auslassungen und Unvollstandig-
keiten. Ein Kunstltenner, wie Ch. Yriarte, sollte doch die -heil. Justina- im Belvedere
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