DAS FREIHALTEN DER MITTE.
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Halbwegs mag’s noch gelingen, diesem unbewußten
Schaffen in einem einzelnen Falle hinter die Kulissen zu
gucken, die Gründe der guten Wirkung herauszubringen
und in Worte zu schmieden. In dem nächsten und wieder
nächsten Falle scheint alles aber immer wieder anders zu
liegen und eine Verdichtung zu einer allgemein gültigen
Hauptregel kaum denkbar. Dennoch muß der Versuch ge- '
wagt werden, auch verstandesmäßig uns die Sache klar zu
machen, denn es ist ja nur zu deutlich, daß wir das natür
liche Gefühl in dieser Angelegenheit schon längst verloren
haben und somit unbewußt das Richtige nicht mehr zu
treffen vermögen. Die Beweise hiefür werden sich in dem
Folgenden alsbald in geradezu erschreckender Weise
häufen. Da hilft nichts, als die eingeschlichene Krankheit
der starren geometrischen Regelmäßigkeit wieder mit dem
Gegengifte verstandesmäßiger Theorie zu bekämpfen.
Dieser Ausweg allein bleibt uns noch übrig, um uns
wieder zur Freiheit des Konzipierens der alten Meister hin
durchzuarbeiten, um mit Bewußtsein dieselben Mittel
wieder zu gebrauchen, welche in den Zeiten traditioneller
Kunstübung die Bildner unbewußt auf rechter Fährte er
hielten.
Die vorliegende Frage scheint klein und enge be
grenzt, und dennoch ist sie schwer mit Worten zu er
fassen. Ein Gleichnis, aus dem gewöhnlichen Leben ge
griffen, mag vielleicht über die Schwierigkeit einer Defini
tion hinweghelfen, nur muß im voraus gebeten werden,
an der scheinbaren Trivialität desselben keinen Anstoß zu
nehmen.
Es ist merkwürdig, daß Kinder, wenn sie bei ihren
Spielen auch ihrem innewohnenden Kunsttriebe in
Zeichnungen oder Modelierarbeiten freien Lauf lassen,
stets ähnliches hervorbringen, wie man es bei den noch
rohen Kunstprodukten primitiver Völker findet. Auch in
bezug auf Monumentaufstellung kann man ähnliches be
merken. Die beliebte Winterunterhaltung, welche diese