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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 187)

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Schutzzolls und des freien Handels gegeneinander abzuwägen. Es wird 
dabei vom wissenschaftlichen Standpunkte aus der Satz bestritten, dass 
Jedermann sein wirthschaftliches Interesse selbst am besten erkenne und 
daher selbst schuld an seinen ökonomischen Vortheilen und Nachtheilen 
sei; es wird bestritten, dass dieses Selbstinteresse die Handlungen jedes 
Einzelnen bestimme und dass nicht auch moralische, gute oder schlechte, 
Antriebe dabei wesentlich mitwirken. Man weist darauf hin, dass im 
Systeme - oder vielmehr in der Systemlosigkeit - der freien Coricur- 
renz nur die begabteren Elemente den Sieg über die schwächeren davon- 
tragen, wodurch ein Monopol der Thatsachen mit aller schädlichen Rück- 
wirkung auf die Massen erzeugt werde; dass nur die gewissenloseren 
Elemente im Kampfe um den Erwerb die gewissenhafteren besiegen, indem 
sie ihr Selbstinteresse zum Eigennutz ausarten lassen und nur noch an 
dem Strafgesetzbuch ihre Moralität messen; dass endlich der Großbetrieb 
den Kleinbetrieb erdrücke, was die Zahl der ökonomisch und social selb- 
ständigen Personen im Staate vermindere und die industrielle Gesellschaft 
überhaupt nur noch in zwei Classen scheide, die sich in Vermögen, 
Bildung und socialer Stellung schroff gegenüberstehen. 
Aber der Angriff auf das Princip der freien Concurrenz ist nicht 
auf die wissenschaftliche Discussion beschränkt geblieben. Auch in der 
Welt der geschäftlichen Praxis hat sich eine Bewegung dagegen erzeugt. 
Fast überall sieht sich die vereinsamte Arbeit des Einzelnen nach Ge- 
nossen um. In England sind schon seit langem die Gewerkvereine, Trade- 
Unions, entstanden; nach ihrem Muster bilden sich ähnliche Associationen 
in Amerika; auch in Frankreich haben sich Arbeitgeber und Arbeit- 
nehmer zu Fachgenossenschaften, sogenannten Chambres syndicales ver- 
einigt, in welchen die Interessen des betreffenden Handwerks ihre Ver- 
tretung finden sollen. ' 
Vor Allem aber ist man heute in Deutschland von der Nothwen- 
digkeit gewerbepolitischer Reformen durchdrungen, was mit der lang- 
andauernden Geschäftskrise zusammenhängt. Als im October 1875 die 
Delegirten der deutschen Gewerbekammern in Chemnitz zusammentraten, 
wurde die Reform der deutschen Gewerbeordnung als unerlässlich erkannt 
und die Hamburger Kammer beauftragt, der Wortführer gegenüber den 
Regierungen zu sein. Wer nun die ausführliche Darstellung prüft, welche 
die Hamburger Geschäftsleute in einer vor zwei Jahren erschienenen Bro- 
chure dem Gegenstande zu theil werden ließen, wird gestehen müssen, 
dass sich kaum in entschiedenerer Weise der Wunsch geltend machen 
lässt, man möge von jenem Grundsatze zurückkommen, dass gewerbliche 
Verhältnisse nur das Individuum allein angehen und nur privatrechtlichen 
Charakter tragen sollen, der Wunsch, mit anderen Worten, nach dem in 
der Corporation organisirten Gewerbe, nach Innungen von Angehörigen 
desselben Handwerkes, in welche einzutreten zwar Niemand gezwungen 
werden könnte, die aber solche Befugnisse eingeräumt erhalten sollten,
	        
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