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der größeren Städte, wo „aus dem Ausland 
bezogene“ Künstler und verfeinerter Stil 
bald Mode wurden. 
Die primitiven Maler der heutigen Genera 
tion stammen dagegen aus den denkbar ver 
schiedensten geographischen wie kulturellen 
Verhältnissen. Es gibt Dutzende von talen 
tierten Amateuren von New York bis Kali 
fornien, in Dörfern und Industriestädten. 
Die in unserer Ausstellung gezeigten Künst 
ler des 20. Jahrhunderts vertreten alle mög 
lichen Typen. Ein Lastwagenführer ist 
unter ihnen, eine Hausfrau und ein Mode 
arbeiter, ein Bergmann und ein Kleider 
fabrikant, ein Neger, der Kofferträger war, 
ein in der Glasmalerei ausgebildeter Hand 
werker, eine Bäuerin, ein Anstreicher und 
ein Altmöbelhändler. 
Mangel an technischer Schulung hat die 
schöpferische Kraft nie stark behindern 
können. Im Falle der primitiven Künstler 
hat sogar das Fehlen technischer Kenntnisse 
oft die Bahn für dekorative Gestaltung frei 
gemacht. Der Stil dieser Maler ist mehr 
durch ihr Können als durch das tatsächlich 
Geschaute bestimmt; so wird die Wirklich 
keit vom Blick des Künstlers umgemodelt 
und eine eigene Formensprache gefunden, 
die zwar oft drastisch realistisch, nie aber 
naturalistisch ist. Man hat gesagt, daß der 
naive Künstler Amerikas eher das gemalt 
hat, was er innerlich, als was er um sich her 
sah. Jedenfalls ist individueller Ausdruck 
Herz und Seele der volkstümlichen Kunst. 
Daraus erklärt sich der große Anklang, den 
sie in heutiger Zeit gerade unter den mo 
dernsten Künstlern findet, denen Frische 
und Unmittelbarkeit schöpferischer Gestal 
tung über alles wichtig sind. 
Wie wir wissen, haben viele Länder primi 
tive Maler hervorgebracht. In Amerika je 
doch besitzt diese künstlerische Ausdrucks 
form eine erstaunlich breite Basis und eine 
Tradition, die, ohne abzureißen, durch drei 
Jahrhunderte geht. Sie ist sowohl durch 
ihre künstlerische Höhe bemerkenswert, wie 
durch wesentliche Züge, die sie mit dem 
gesamten Volkscharakter gemeinsam hat. 
Tatsächlich stellt die primitive amerika 
nische Malerei, von der in dieser Ausstel 
lung Beispiele gezeigt werden, die einzige 
rein amerikanische Tradition in der Kunst 
der Vereinigten Staaten dar. Ihre Wesens 
züge: Unromantische Sachlichkeit, kräfti 
ger, unbedenklicher Ausdruck des zu Sagen 
den, Ehrlichkeit, die nicht beschönigt, und 
ein gewisser Sinn für Humor, der zeigt, daß 
man sich selber nicht allzu feierlich nimmt, 
finden sich auch im Charakter des hand 
festen, lebensnahen Volkes wieder, und in 
dessen kühner Annahme, daß es zur Aus 
führung eines Werkes nur der unmittelbaren 
Kenntnis des zu verwendenden Handwerks 
zeuges und eines festen Willens bedarf, daß 
also auch jeder malen kann, der malen 
möchte — all dies ist grund-amerikanisch. 
Daher scheint uns der demokratische Geist 
Amerikas in der volkstümlichen Malerei 
des Landes seinen bildhaften Ausdruck zu 
finden. Jean Lipman 
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