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Die österreichischen Kunstgeworhe am Iahresschlussa l880.
Auf allen in dem abgelaufenen Jahre iu Oesterreich stattgehabten
Ausstellungen, speciell auf der Wiener Gewerbe-Ausstellung, ward es
deutlich, dass unser Kunstgewerbe in einem lebhaften Aufschwunge be-
griffen ist und dass überall die Einsicht sich geltend macht, dass die
Kunst nicht blos ein großer Factor zur Erziehung und Bildung des
Menschengeschlechtes, sondern auch ein Mittel zur Vermehrung und
Steigerung des Volkswohlstandes ist. Dieser Einsicht ist es auch zu danken,
dass Kunstgewerbe und Kunsttechnik auf allen-Gebieten so bedeutende
Fortschritte gemacht haben.
Ohne in detaillirte Erörterungen einzugehen, scheint es doch nöthig,
bei einer Rückschau die Schwächen zu bezeichnen, welche sich auf diesem
Gebiete gezeigt haben, und neben den Lichtseiten auch die Schattenseiten
in's Auge zu fassen; ferner dürfte es geboten sein, auch auf die Be-
wegungen des kunstgewerblichen Lebens des Auslandes hinzuweisen, da
ja das Gewerbeleben Oesterreichs nicht isolirt von den gleichen Bestre-
bungen der Nachbarländer steht und die Wechselwirkungen derselben mit
den heimischen Verhältnissen im Auge zu behalten sind. Gegenwärtig
werden nicht nur in Frankreich und Italien, sondern auch in Deutschland
die größten Anstrengungen gemacht, die Kunstgewerbe im erhöhten Maße
concurrenzfähig zu machen, und es unterliegt keinem Zweifel, dass speciell
das deutsche Kunstgewerbe, welches nicht nur von der Regierung, sondern
auch von den rnaßgebendsten Persönlichkeiten im Deutschen Reiche unter-
stützt wird, in der nächsten Zukunft auf dem Weltmarkte eine größere
Rolle zu spielen berufen ist, als es bisher der Fall war. Dass dieser Um-
stand auf die gleichen österreichischen Bestrebungen einen Einfluss nehmen
wird, liegt klar zu Tage. In Anbetracht dessen ist nichts gefährlicher, als
jene gewissen Schlagworte, deren eines gerade anlässlich der Wiener
Gewerbe-Ausstellung ausgegeben wurde. Es sagte, dass die österreichische
Kunst-Industrie concurrenzfähig geworden sei, ja dass sie auch die west-
lichen Rivalen bereits vollkommen erreicht hätte. Ich meine wohl berechtigt
zu sein, die Ansicht auszusprechen, dass diese von einigen österreichischen
Industriellen ausgehende Phrase nicht nur mehr Schaden als Nutzen ge-
stiftet hat, sondern auch, dass sie unrichtig ist. Richtig ist nur dies, dass,
Dank den Bestrebungen und Bemühungen der letzten zwei Jahrzehnte,
mehrere Kunstgewerbe sich so gehoben haben, dass sie dem Auslande
gegenüber concurrenzfähig geworden sind und dass die Exportfähigkeit
sich in dem letzten Jahrzehnt gesteigert hat. Speciell der französischen
Kunstindustrie gegenüber wäre es aber eine grobe Täuschung, wenn man
glauben wollte, dass wir sie bereits im Ganzen und Großen erreicht oder
gar tiberfltigelt hätten. Es gibt noch viele Gebiete der Kunst-Industrie,
auf welchen wir noch keineswegs in der Lage sind, den Franzosen gegen-
über als gleichwerthige Rivalen aufzutreten. Sind wir doch viel zu jung
in unseren kunstgewerblichen Bestrebungen, als dass wir begründet sagen