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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVI (1881 / 189)

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unseres gewerblichen Erziehungswesens in ersprießlicher Weise nur dadurch bewirkt 
werden kann, dass samrutliche gewerbliche Unterrichtsanstalten im Ressort 
des Ministeriums für Cultus und Unterricht vereinigt werden. 
lch verkenne die Verdienste des Handelsrninisteriums nicht, die es sich namentlich 
durch die Gründung zahlreicher Fachschulen bisher erworben hat. Es fällt mir nicht ein, 
zu behaupten, dass sich der Handelsminister weiterhin um die Hebung des gewerblichen 
Unterrichtswesens nicht bekümmern solle. Der Handelsminister wird stets am besten in 
der Lage sein, die Bedürfnisse der Gewerbetreibenden zu erforschen. Er wird durch den 
Verkehr mit den letzteren erfahren, an welchen Orten und nach welcher Richtung durch 
gewerbliche Erziehungsanstalten dem darniederliegenden Gewerbe aufgeholfen werden 
könne. Aber ist die Anstalt einmal geschaffen, so handelt es sich in der Regel um Fragen, 
mehr oder weniger pädagogischer Natur, welche ganz gewiss vom Unterrichlsminister besser 
als vom Handelsminister besorgt werden. Die Lehrpläne, das Lehrbuchwesen, die Zeichen- 
vorlagen, Sammlungen, die Organisation von Laboratorien, die Lehreranstellung, Ueber- 
wachung von Bildungsanstalten, das sind lauter Dinge, deren Besorgung dem Unterrichts- 
amte an und für sich viel näher steht als dem Handelsamte. 
Diese Ueberzeugung drängt sich unseren Gewerbetreibenden auf der ganzen Linie 
immer mehr auf. 
Eine vom Gewerbeverein in Prag ausgehende Petition, welche dem hohen Hause 
vorliegt, verlangt in ganz entschiedener Weise die Unterstellung der Agenden des ge- 
werblichen Unterrichtswesens unter das Unterrichtsministerium. 
Eine Autorität in dieser Angele enheit, Heinrich Graf Attcms, hat in der Wiener 
Allgemeinen Zeitung von 20. April t 8! einen umfassenden sehr interessanten Artikel 
veröffentlicht, welcher auf dasselbe hinauslauft. 
Ein Weiteres: lch hatte vorhin schon die Ehre, zu erwahnen, dass in der fran- 
zösischen Pecole primaire superieute der Volksunterricht mit dem Werkstattunterricht 
verbunden ist und dass an Tausenden von englischen Volksschulen der Jugend der ge- 
werbliche Zeichenunterricht ertheilt wird. lch frage. muss nicht die Betrachtung dieses 
Beispieles in uns den dringenden Wunsch wachrufen, dass auch in unseren österreichischen 
Volks- und Bürgerschulen die gewerbliche Erziehung berücksichtigt, dass insbesonders 
an unseren Volksschulen tüchtiger Unterricht im Zeichnen ertheilt werde. Ich meine 
nicht den Unterricht im Zeichnen von Blumen, Landschaften, Thierstücken, wie es diesem 
oder jenem Lehrer beliebt, sondern den gewerblichen Zeichenunterricht mit Berücksichtigung 
des bestimmten Gewerbes, welches innerhalb des Bezirkes, des Landes oder auch inner- 
halb der speciellen Gemeinde betrieben wird. Es ist aber nicht denkbar, dass die Volks- 
schule der Gewerbe- und gewerblichen Fachschule in dieser Weise verarbeitet, solange 
diese Bildungsanstalten von verschiedenen Ministerien ressnrtiren. 
Haben Sie jetzt die Güte, meine Herren, einen Augenblick an die Beaufsichtigung 
der gewerblichen Bildungsanstalten zu denken, wie sie sich thatsachlich uns darstellt. 
Zur Beaufsichtigung braucht jedes Ministerium Organe. Das Unterrichtsministerinm 
verfügt nun über die betreffenden Aufsichtsorgane für die gewerblichen Erziehunganstalten, 
das Handelsministerium entrath derselben. Das Unterrichtsministerium besitzt sie in den 
Professoren des Museums für Kunst und lndustrie, in den Gewerbeschuldirectoren und 
Professoren, in den Landesschulinspectoren. Der Handelsminister muss sich die lnspectoren, 
so oft er sie braucht. vom Unterrichtsminister ausborgen. Die lnspectoren Exner, Bauer, 
Haulfe, Storck sind alle von den Lehranstalten des Unterrichtsministeriums entlehnt, 
wahrend nur Einer der lnspectoren des Handelsruinisteriutns, lnspector Henneberg, nicht 
Beamter des Unterrichtsministeriums ist. Finden Sie in diesen Verhaltnissen nicht einen 
schlagenden Beweis für die Nothwendigkeit der Unterstellung des gewerblichen Erziehungs- 
wesens unter das Untetrichtsministerium? . . . . 
Und sollten wir, hohes Haus, auf einem so wichtigen Gebiete die Erfahrungen un- 
berücksichtigt lassen, welche anderwarts gemacht worden sind, die Beispiele nicht be- 
folgen, rnit welchen anderwarts uns vorangegangen worden ist? 
ln England gehörten bis zum Jahre 1853 die gewerblichen Erziehungsanstalten 
unter das Handelsarnt, das board of trade; seit 1853 wurden dieselben dem Ressort des 
Unterrichtsministeriums einverleibt; und Preußen, welches lange Zeit hindurch an der 
gewerblichen Erziehung sich ebenso versündigt hatte, wie wir, hat bereits vor drei Jahren 
sammtliche gewerbliche Erziehungsanstalten im Ressort des Unterrichtsministers vereinigt. 
Haben wir nicht endlich die Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben, noch im 
guten Gedlchtnisse? Gehen Sie nach Gablonz, fi-agen Sie, wodurch dort die Stimmung 
der Bevolkerung gegen das Handelsamt und für das Unterrichtsamt seit langer Zeit schon 
so fest .und entschieden geworden ist? Die von dem Handelsministerium eingerichtete 
gewerblicheFachschule ist eingegangen (Abgeordneter Freiherr v. Oppenheimer: nlweimaln), 
also zweimal eingegangen, weil sie nicht die Industrie des Ortes, nicht die lndustrie des 
Bezirken berücksichtigte, während auf der anderen Seite die vom Unterrichtsminister ein-
	        
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