Marmorsculptur einen ganz ungeläuterten Geschmack, der zu nicht ge-
ringem Theile von der Geschmacksbildung der Amerikaner und Engländer
herrührt. Excentrisch, wie diese Nationen sind, fordern sie zur Steigerung
kunsttechnischer Excentricitäten förmlich heraus. Diese Wahrnehmungen
mögen wohl auch Herrn Boito bestimmt haben, die Frage der Kunst-
industrie vorn künstlerischen Standpunkte zu erörtern.
Die Holzbildhauer von Florenz haben sehr Gutes ausgestellt; besseres
als die Venetianer, welche zu sehr von Händlern und Speculanten ab-
hängig sind. Die Möbelindustrie hingegen kann sich mit der österreichi-
schen und deutschen nicht messen. Dass denkende und einsichtige Italiener
sich der Mängel und der Lücken der heutigen italienischen Kunstindustrie
wohl bewusst sind, zeigt ein öffentlicher Vortrag, den der Architekt Pro-
fessor Boito über die Industria artistica in Mailand gehalten hat. Boito
gehört in die Reihe der hervorragenden Künstler, welche den Muth
haben, die öffentliche Meinung über die Mängel der heutigen Kunstindustrie
Italiens aufzuklären. Prof. Boito ist dazu wohl vollkommen berechtigt,
nicht bloß wegen seiner hervorragenden künstlerischen und schriftstelle-
rischen Leistungen, sondern auch durch Einsicht in die Kunstbewegung
Oesterreichs, Deutschlands und Englands.
Er entwickelte Ideen, die für Italien neu und gewiss nützlich sind,
in Oesterreich, im deutschen Reiche und in England allgemein anerkannt
werden. Herr Boito ist derselbe Architekt, der ein ganz vortreffliches Buch
über die Entwicklung der italienischen Architektur veröHentlicht hat, welches
vor Kurzem in die deutsche Sprache übersetzt wurde. _
Die Mailänder Ausstellung ist, wie bemerkt, von langer Hand vor-
bereitet worden. Die Ausstellung ging von der Handelskammer aus. Ihr
haben sich die Deputazione provinciale, und die Giunta Municipale in
Mailand, die Sparcassa, die Banca populare, die Associazione sociale e in-
dustriale und die Societa düncorragiamento d'arte e mestieri angeschlossen.
Ein Garantiefond a fondo perduto von i,6oo.ooo Lire wurde bald ge-
zeichnet. Das Parlament bewilligte einen Beitrag von einer halben Million
Lire zu diesem Fonde. Als Ehrenpräsident des Ausstellungsc0mite's fungirt
der Bürgermeister von Mailand Senator G. Belinzaghi, und als wirklicher
Präsident der Handelskammer-Präsident L. Maccia, und als Secretär der
Ingenieur A. Taruggia. Mit der Ausstellung wurde eine Nationallotterie
verbunden, dieselbe verfügt über einen Fond von zwei Millionen Lire, die
zu Ankäufen bestimmt sind, das Project einer Nationallotterie wurde durch
k. Decret v. 5. März 188i genehmigt.
Auf diese Weise Hnanziell geordnet wurden Räumlichkeiten gewonnen,
die hart am k. Garten gelegen, und es möglich machten, dass die Aus-
stellung in reizenden Gartenanlagen sich entfalten konnte.
Wir müssen dieser Ausstellung nachrühmen, dass die Ausstellungs-
bauten, unähnlich den üblichen Aussrellungsbauten, welche sonst große
Geldmittel verzehren, sehr einfach und zweckmässig hergestellt sind. Die