und ausgedehnten Schmuck- und Goldwaarenindustrie, welche im Südwesten
Deutschlands ihren Hauptsitz aufgeschlagen hat. Diese bisher sehr fabriks-
mäßig betriebene Industrie hat den Nachtheil, dass sie einerseits an den
gewöhnlichsten herkömmlichen Geschmack gebunden ist, dem sie folgt,
ohne ihm zu gebieten, ohne ihn zu leiten. Diese eine Seite verleugnet
denn die Würtemberger Schmuckindustrie auch heute auf dieser Aus-
stellung durchaus nicht. Vieles, sehr Vieles ist ausgestellt, was, bereits
wohlbekannt und oft gesehen, uns ein künstlerisches Interesse in keiner
Weise abgevxinnt. Anderseits aber bietet solche populäre Arbeit, wenn
einmal in Blüthe, doch einen wohl vorbereiteten Boden und geübte Kräfte
für eine höhere Thätigkeit, wenn anders sie von gutem W'illen, besserem
Verständniss und Unternehmungslust begleitet sind.
Auch dieses nun erkennt man an den YVürtemberger Goldschmieden
und hierin liegt das Interesse, welches wir unserseits an ihnen nehmen.
Der populären Thätigkeit geht eine zweite zur Seite, welche künstlerische
Leistungen anstrebt und neue Verfahrungsweisen, neue Ornamentationen
der Goldschmiedekunst wieder zu gewinnen trachtet. Als solche Neuerer
zeigten sich auf der Ausstellung insbesondere Hermann B auer und Johann
Kühn, beide im Hauptorte dieser Industrie, in Gmimd. Bauer zeigte
Einlagen von Gold und Silber in Art der Tauschirarbeiten, wie es scheint,
auf dem Wege einer Vervielfältigung hergestellt, also ebenfalls für einen
weiten und populären Absatz berechnet; ferner Schmuckgegenstände mit
Reliefeinlagen in verschiedenfarbigem Golde, in der Art jener zuerst von
Tiffany aus New-York auf der Pariser Ausstellung (1878) gebrachten
Gegenstände, wie sie aus der Nachahmung japanischer Technik hervor-
gegangen sind; endlich drittens Ketten, Colliers, Gehänge in feiner, durch-
brochener Arbeit, oxydirt, emaillirt, mit Motiven, die sich am nächsten
an die farbigen Schmuckarbeiten der Renaissance anschließen. Alle diese
Arbeits- und Ornamentationsweisen werden auch bereits in Wien geübt
und wohl früher schon als von den Würtemberger Fabrikanten, aber
vielleicht nicht immer mit der gleichen Entschlossenheit. Die Tauschir-
arbeiten kennen wir längst, ich brauche nur an Lustig und seine Spe-
cialität zu erinnern; jene japanisirenden Gegenstände werden vortrelTlich
von Bacher gearbeitet, und die dritte Art der Schmuckarbeiten in Re-
naissancemotiven war auf der Ausstellung des vorigen Jahres in der Prater-
rotunde durch Markowitsch 81 Scheidt vortrefflich vertreten.
An diese letzteren Arbeiten möchten wir aber im Interesse unserer
Industriellen ein Paar Bemerkungen knüpfen. Jene Ketten und Colliers be-
stehen zumeist aus breiten, Hachen, an einander gehängten Gliedern, die
für sich zierlich gezeichnet, fein gearbeitet und reich durchbrochen sind.
Nimmt man solchen Schmuck in die Hand, so findet man nichts daran
auszusetzen; Kunst wie Arbeit erregen unser Wohlgefallen. Wenn aber
am bloßen Halse liegend, so erwecken sie das Bedenken, als dürften sie
mit Spitzen, Ecken und scharfen Kanten sich unangenehm fühlbar machen