VII
I.
Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung des
artistischen Bildungswesens.
(Ministerielles Memoire auf Anlass der Knnst- und Knnstgewerbe-Ansstellung zu München 1876.)
Unter den idealen Gütern, deren gemeinsame Pflege in Österreich einer obersten
Centralstelle für Culte, Erziehungswesen, Wissenschaft und Kunst obliegt, muss
besonders hohe Bedeutung für das geistige und materielle Wohl der Bevölkerung
den bildenden Künsten zugesprochen werden. Die Erlrenntniss dessen lebt
gegenwärtig im allgemeinen Bewusstsein; von Staatswegen diese Interessen zu
Rlrdern, gilt als Pflicht. Solche Strömungen des öffentlichen Geistes erleichterten
in den letzten Jahren der Unterricbtsverwaltung eine gesteigerte Thatigkeit.
Leitender Gesichtspunct für diese Thätiglxeit war, dass die Kunst, ein organischer
Theil des Ganzen der dem Unterrichtsministerium anvertrauten Culturinteressen,
für sich wieder ein Ganzes ist, das in sich selbst sein Gesetz, seine Freiheit und
seine Schranken hat.
Darum erhoffte das Ministerium eine gedeihliche Entwicklung nur von einer
Verwaltung. welche den Zusammenhang der drei grossen Schwesterkünste unter-
einander und mihden Bedürfnissen des Staates zu Pflegen und Handwerk und
Industrie durch die Zuführung künstlerischer Kraft zu veredeln trachtet.
Indem die Unterrichtsverwaltnng, der Einheit aller Kunst bewusst, sämmtliche
Zweige dieses mannigfaltigen Lebensgehietes gleichmßssig zu fördern strebte, richtete
sie ihre Aufmerksamkeit auf die Hebung des Kunstwesens von der untersten bis
zur akademischen Stufe, auf die Pflege der monumentalen, wie der Kunst im Gewerbe.
In einem im Vorjahre publicirten „Exposä über die Organisation des gewerb-
lichen Unterrichts in Österreich", hatte das lllinisterium es insbesondere unternommen,
das Ergebniss umfassender Erhebungen und Studien über die Frage sowohl des
technischen als auch des artistischen Unterrichtes der industriellen Classen in einem
grundlegenden Elaborate zusammenzufassen und der Ößentlichkeit ein Programm
zu unterbreiten für die Verwaltung des österreichischen Gewerbeschulwesens. Es
beschränkte sich damals in seinen Mutivimngen nicht auf eine Schilderimg des
momentanen Zustandes in Österreichs Naehbarlandern. Vielmehr hielt es für
Pflicht, auch manche der sich dort erst vorbereitenden Bewegungen vorausblickend
ins Auge zu fassen. In diesem Streben, ein treues Gesammtbild der Lage zu
schaden, konnte das Ministerium nicht umhin, scharfes Licht auf die beginnenden
Gestaltungen hinzuleiten, welche im Gebiete lrunstgewerblichen Bildungs-
wesens sich in Deutschland neuerlich mehr zu verdichten und bestimmter zu
formen schienen.