XVI . Die gegenwärtigen Aufgaben der Vernltung des artistischen Bildungswesens.
Verhsltnissmsssig mehr Entwicklung zeigte Baden. In Carlsruhe scheint
das fruchtlose Suchen nach einem neuen Styl aufgegeben; man quält sich dort
wie andcrwsrts nicht mehr, Neues in der Kunst in einer Zeit zu machen, die
wieder lernen muss, das Alte gut nachzubilden.
Die Kunstgewerbesehule an der grossherzoglichen Landes-Gewerbehalle
schreitet auf richtigen Wegen richtigen Zielen zu; sie ist nach ziemlich grossem
Plane angelegt und verfügt über 7 Lehrkräfte und reichliche Unterrichtsmittel ").
Ihre zur Ausstellung gebrachten Arbeiten liessen auf tüchtige Leitung schliessen.
Gleichfalls vortheilhaft stellte sich im Münchener Glaspalaste die kleine Kunst-
industrieschule in dem gewerbeüeissigen Offenbach a. M, dar.
Schienen schon die angeführten Leistungen im südwestlichen Deutschland der
Beachtung wertb, so verdienten solche in noch höherem Masse die Bestrebungen
im Königreiche Sachsen. Diese heben sich von einem bedeutenden Hintergrunds-
ab. Das dicbtbevölkerte Land, von einem der wichtigsten Handelsplltze, einem
kunstgescbmückten Herrschersitze und so vielen Industriestadten belebt, freut sich
heute noch mancher Schöpfung, die - namentlich seit dem Ende des 17. Jahr-
hunderts - churfiirstliches und königliches Mäcenatenthum ins Dasein" gerufen.
So gehen Vergangenheit wie Gegenwart Anknüpfungspuncte und so mag es sich
erklären, dass gerade in Sachsen die Bewegung in der kunstgewerhlichen Frage
seit einigen Jahren mehr als anderwärts gewachsen ist.
Zwei altere Bildungsanstalten zu Leipzig und eine noch sehr junge zu
Dresden lassen diess deutlich erkennen. An der städtischen Gewerbeschule zu
Leipzig, an welcher sieben Lehrkräfte wirken, wird ein durchaus tüchtiger
Zeicbeiiunterricht ertheilt. Die königlich sachsicbe Akademie der bildenden Künste
zu Leipzig- ist eine überwiegend knnstgewerbliehe Lehranstalt, in deren Fach-
schulen und Ateliers die vorzugsweise in Leipzig blühenden Gattungen des
Kunstgvewerbes unter der Anleitung von eilf Lehrern gepdegt werden ").
") Als Zweck der grossherzogli-chen Kunstgewcrbeschule in Carlsruhe
bezeichnet der Organisationsplan: Förderung des Knnsthandwerkes im Allgemeinen und insbeson-
dere im badischen Lands durch Bildung von Zeichnerin und Modelleurcn ihr die verschiedenen
kunstgewerblichen Gebiete, sowie durch Begutachtung kunstgewerblicher Entwürfe. Dieser Zweck
soll erreicht werden: in erster Linie durch vielseitige Heranbilduug junger Leute zu tüchtigen
Arbeitern, Werkführern, Modelleuren, Musterzeichnern und Zeichenlehrern; in zweiter Linie
durch Ertheilung von Zeicheu- und Mudelliruntenicht an Lehrlinge, Gehilfen u. s. w. die tags-
über ihrem Berufe angehören.
Demzufolge sind die Schüler in zwei Abtheilungen geschieden: a) ständige Schüler,
b) Abendschulen 1 r
Der Unterricht dir die ständigen Schüler nimmt die Tageszeit von 8-12 und von
2-6 Uhr und im Ganzen drei Jahrescurse in Anspruch, und erstreckt sich auf folgende
Gegenstände: 1. Architektonisches Zeichnen, 2. Formenlehre, 3. Geometrisches Zeichnen,
4. Prajecticnszeichnen, 5. Schsttenlehre, 6. Perspective, 7. Ornamentxeichnen, 8. Flachoruament-
und Farbstndien, 9. Zeichnen und Entwerfen kuustgewerblicher Gegensßnde, 10. Figurenzeichncn,
11. Iodelliren in Thon und Wachs, 12. Holzscbnitzen, 13. Galnnoplastik, 14. Dccoratiouslnden
in Laimfarbe. Die dreidetztgencunten Fächer sind nicht für alle Schüler verpdichtend.
An der Anstalt sind Stipendien von 40 Mnrk monatlich gestiftet. - Im Schuljahre 1875f6
zahlte die Schule 87 Schüler, darunter 39 ständige. '
") Die königl. Akademie zu Leipzig umfasst 3 Abtheilnngen: '
I. Für Baukunst, (Fachschule für kunstgewerbliche Entwürfe und' Zeichnungen). g .
II. Für Bild h au er ei (Fachschule für Kunsttischler, Modelleure, Ornameutschneider etc.