Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung des artistischen Bildungswesens. XXIX
In Beachtung der nndei-würts gewonnenen Erfahrungen sieht aber die Leitung
des Museums ihren Beruf nicht allein in der Pflege des eigenen lnstitutes. Sie
strebt vielmehr über dessen Schwelle hinaus. Sie sucht hiedurch dasselbe zu einer
eigentlichen Centralanstalt zu erheben und erklärt es als ihre Aufgabe, durch
Begründung von gewerblichen Zeichenschulen in den Provinzstadten, die als Filial-
anstalteu der Museumsschule einzurichten sind, letzterer das ausreichende Material
an entsprechend vorbereiteten Schülern aus allen Theilen des Landes zuzuführen.
und so ein systematisch geplantes, den gesainmten Staat umfassendes Unterrichts-
gebände aufzuführen.
Angesichts der Fülle dieser gewordenen und werdenden Thatsachen müssen
die entsprechenden Massnahmen jetzt umso nachdrücklicher und rascher in
Österreich durchgeführt werden, als der in Deutschland in Fluss gekommenen
Bewegung der Höhestand des Schulwesens im Allgemeinen, die Menge betriehsamer,
volkreicher Städte, das Mßcenatenthum so vieler Hofe, die bedeutende Zahl der
für grössere Kunstgewerbeschulen geeigneten Bildungscentren, wie Karlsruh e,
München, Stuttgart, Leipzig, Dresden, Cöln, Hamburg, Berlin etc.
manche unschätzbare Gunst gewahrt. Und in der That sind auch schon an so
vielen Puncten in Deutschland die Hebel angesetzt worden, dass Österreich nur
in einer straiferen Zusammenfassung und einheitlicheren Durchführung seiner
Organisation ein Gegengewicht Enden kann.
Die Untenichtsverwaltung behält dieses Moment um so starker im Auge, als
selbst bei der günstigsten Entwicklung unseres gewerblichen Bildungswesens das
österreichische Kunstgewerbe, so lange es noch nicht des Schutzes einer vollständig
geordneten gewerblichen Gesetzgebung gemiesst, gegen das deutsche im
Nachtheil sein wird. Deutschland führt gegenwärtig eine einheitliche Gesetzgebung
auf dem ganzen Gebiete des Urheberrechtes durch. Die Wirkung geregelten
Patentwesens, guter Musterschutzgesetze auf die deutsche Kunstindustrie dürfte
zwar nicht, wie die Einflüsse der Bildungsanstalten, sofort nach den ersten Jahren
auffallen; wenn sie aber erst einmal anfallen, wird die österreichische Production
sie auch bereits empfindlich fühlen.
Dem österreichischen Kunstgewerhe seine volle Coneurrenzkraß gerade Deutsch-
land gegenüber mit allen Mitteln zu bewahren, scheint vor Allem darum geboten,
weil, nächst den Ländern des Ostens, Deutschland das natürliche Absatzgebiet für
selbes ist. Das natürliche Absatzgehiet nicht nur der geographischen Lage nach,
sondern auch desshalb, weil Gemeinsamkeit geistiger Interessen und ergänzende
Verschiedenheiten des Culturlebens den Austausch aller Güter begünstigen. Darum
darf auch gehoiit werden, dass Rivalitäten hier nicht zur Ausschliessung des einen
Wettkampfers vom Markte des anderen führen werden.
Denn die Rollen, welche hüben und drüben dem Kunstwesen zugewiesen sind,
werden sich schwerlich vollkommen decken. So deutlich wir das gemeinsame
Muttermaal im Antlitze beider Culturen auch sehen, so dürfen wir doch nicht
verkennen, wie starke Spuren der Verschiedenheit getrennte geschichtliche Bildungs-
processe zurückgelassen haben. Es mag nachgerade die Verschiedenheit so vieler