XXXVlII Die gegenwärtigen Aufgaben der Verwaltung des artistischen Bildungswesens.
Unter den Verhältnissen der jetzigen, rasch fortschreitenden Epoche kann es
es sich aber zudem keineswegs darum handeln, den Zeichenlehrercnrs innerhalb
seines gegenwärtigen Wirlruugskreises festzuhalten. Neue Bedürfnisse verlangen
auch hier eine vervielfaltigtc Thatigkeit. Es scheint sonach die Vereinigung der
Lehrerschaft der Kunstgewerbeschule und des Zeichenlehrercurses schon desshalb
gerathen, weil sich innerhalb eines grösseren Körpers leichter eine sparsame
Eintheilnng treffen lasst, durch welche von Zeit zu Zeit einzelne Lehrkräfte für
dringend nothwendige Specialcurse verfügbar werden.
Eine Reihe solcher Curse wird aber im Laufe der nächsten Jahre abgehalten
werden müssen, insbesondere zur F o rtbi l d u ng der Zeichenlehrer der verschiedenen
Kategorien von Schulen und der Lehrerinnen fiirjenes umfangreiche Gebiet, das mit
dem Namen der weiblichen Arbeiten bezeichnet wird.
Die in volkswirthsschafflicher Beziehung so wichtige und dringliche Reform
des Zeichenunterrichtes im österreichischen Schulwesen würde, trotz aller Lehrpläne
und lnstruclinnen noch durch mindestens ein Decennium auf dem Papiere bleiben,
wenn nicht - neben anderen Massregeln, welche an späterer Stelle noch zu bezeichnen
sein werden - auch durch F ortbildungscurse dem Verstandnisse der Lehrer nach-
geholfen würde; und, was speciell das Gebiet weiblichen Arbeitsunterrichts betrifft,
so sind auf demselben, wie die Münchner Ausstellung darthat, in Deutschland,
und zwar vor Allem in Baiern, durch die Thatigkeit der Privaten, wie der
Regierungen neuestens sehr bedeutende Fortschritte erzielt worden. Es erwächst
auch der österreichischen Unterrichtsverwaltung die Pflicht, hier nunmehr von
Staatswegen eine Aufgabe in die Hand zu nehmen, der bisher Privatkorpomtionen,
namentlich der Wiener Frauen-Erwerbverein, sich in verdienstlicher Weise
gewidmet haben, die aber durchgreifend und für das gesammte Land nur durch i
die Regierung gelöst werden kann.
Zudem ist es nicht die Bildung von Lehrerinnen allein, was angestrebt
werden muss. Weibliche artistische Arbeitskräfte fürgewisse Bedürfnisse
des Kunstgewerbes direct heranzubilden, erscheint vielmehr von nicht zu unter-
schätzender Bedeutung für die Entwicklung der österreichischen Kunstindustrie.
Es sei hier nur erinnert an die grossen Pariser Industrien der feineren Cartonnage-
arbeiten. der Blumenfubrikation etc. sowie an die jvielfach bewahrte Verwendbarkeit
weiblicher Arbeit für malerischen Decor keramischer Gegenstände und für einige
graphische Künste. ln Frankreich wird seit Langem, in England in neuerer Zeit
diese Seite des gewerblichen Bildungswesens mit Erfolg gepflegt und es hat sich
hiebei ergeben, dass manchen artistischen Aufgaben die weibliche Arbeitskraft nicht
nur vollkommen genügt, sondern dass die Billigkeit derselben die Concurrenzfähig-
keit derjenigen Industrie wesentlich steigern kann, die sich ihrer statt der mann-
lichen Kraft bedient. Rathsam und lohnend schiene eine grbssere Ptlege dieses
Unterrichtszweiges an der Kunstgewerbeschule jedoch nur dann, wenn sie nicht
auf Kosten der übrigen Wirksamkeit des Instituts stattzufinden brauchte, und somit
stellt sich auch in dieser Beziehung eine Vermehrung der Lehrkräfte als unvermeid-
lieh dar. '