Lll Entwicklung des gewerblichen und lnercantilen Unterrichts.
auf deren Kostspieligkeit - manchmal zu vernehmen sind, rührt daher, dass die
territoriale Wirkungssphare solcher technischer Bildungsstätten verkannt wird.
Solche, Lehranstalten haben überall im Auslands, wie in Österreich, die
Bestimmung, dem Bildungshedürfnime der gewerhetreibenden Bevölkerung eines
grösseren Gebietes, meist einer ganzen Provinz, zu dienen; man errichtet sie an
einem günstig gelegenen, selbst möglichst industriellen Orte; dort müssen an
gemeinsamer Bildungsstätte die strebsamen Elemente des Gewerbestandes der
ganzen Gegend für einige Semester zusammenkommen. Die Schüler müssen dorthin
gehen, wo tüchtige Lehrkräfte und Lehrmittel sich befinden, denn man kann diese
Lehrkräfte und Lehrmittel nicht über das ganze Land zerstreuen, man muss sie
vielmehr zusammenhalten, muss sie zu einem Organismus vereinen, um Wirkung
zu erzielen. Es müssen eben für die Vertheilung fachlicher Bildungsanstalten im
Lande andere Grundsätze gelten, als für die Vertheilung allgemeiner Bildungs-
anstalten, und die Natur der Sache bringt es mit sich, dass man mit technischen
Schulen nicht wie mit Vnlks- und Biirgerschulen, ja nicht wie mit Gymnasien und
Realschulen, dem Lernbedürfnisse der Bevölkerung gleichsam bis zum heimischen
Herde ziachgehen kann.
Diese Verhältnisse bedingen andererseits wieder eine langsamere Entwicklung
der fachlichen Bildungsanstalten, da erfahrungsgemüss schon die blosse Kunde von
der Existenz einer solchen Fachschule zu ihrer Verbreitung unter den betreffenden
Bevölkerungsclassen eines grösseren Territoriums einiger Zeit bedarf und der
Entschluss zu einer Urtsverälnderung um der Fachhilduilg willen anfänglich nur
schwer und von Wenigen gefasst wird.
Das sind in der Sache liegende Schwierigkeiten, die jede fachliche, also auch
jede gewerbliche Schule zu (iberwinden hat. und die sie nur allmälig überwinden
kann. ') Dass aber jede gut nrganisirte und geleitete Gevrerbeschule diese
Schwierigkeiten der ersten Jahre wirklich überwindet und dann unendlich fruchtbar
auf das Gewerbewesen einer ganzen Gegend einwirkt, das ist dargethan durch die
Entwicklungsgeschichte zahlreicher Schulen des Auslands.
Die itltesten. vor vier Jahrzehnten in Deutschland gegründeten Werkmeister-
schulen rangen in den ersten Jahren ihres Bestandes mit 7 bis 10 Schülern um
die Existenz. Nach Überwindung dieser Anfangspeiiode entwickelten sie sich dann
rasch und stetig und ebendieselhen Anstalten hatten im letzten Jahrzehnte nicht
') Um in dieser Hinsieht der anfänglichen Entwicklung nnchzuhelfen, sind an dou Gewerbe.
whulen für die nächsten Jahre Stastsstipaudien gestiftet und die localen Interessenten zu ebensolchen
Widmungen aufgefordert worden. Ein Beispiel, du eine lprirhwörtlich npur-sanue und aufgeklärte
Slnatsverwnltung vor vielen Jahrzehnten in analogem Falle gegeben hat, verdient hier Erwähnung.
Als vor fünzig und einigen Jahren das Gewerbe-Innitnt in Berlin von Benth und Sehinkel
gegründet wurde, vrnr e! nur dadurrh möglich, junge Leute zum Studium der technischen Wiesen-
schaften heranzuziehen, dass Stipendien in der Höhe von 300 'l'lialern - was in: Vergleich heutiger
mit damaligen Preisverhiltnisuen wohl mindestens einen Wertli von 800 Gulden repräsentirt - he
vollständig freiem Unterriehte fast allen Zöglingen gewährt wurden. Die Frequenz hob nich'von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt, und gegenwärtig ist bei ausserordentlich strengen Anforderungen, mehr hohem
Unlerrivhtsgeldu und geringer Ansnhi von Stipendien vnn höchsten! 600 Mark die Anstalt so überr-
Nlllt, dass an einzelnen Vnrtriigen und Übungen nahen: 300 Schiller theilnehuzen.