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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XI (1876 / 135)

LIV Entwicklung des gewerblichen und mercnntilen Unterrichts. 
die Schwierigkeit entgegen, dass die. Unterrichtsverwaltung sich vertrauenswürdiger 
Lehrkräfte nicht innerhalb so kurzer Frist versichern konnte. , 
Mittlerweile gaben aber Vorkommnisse in Prag, wo am 15. Oetober 1876 
eine Staats-Gewerbesehule eröffnet werden sollte, der Pilsener Angelegenheit eine 
neue Wendung. Die mit den loualen Factoren in Prag wegen Übernahme 
von Beitragsleistaingen geführten Verhandlungen scheiterten unmittelbar vor dem 
Abschlusse des Vertrages an den unerfullbaren Forderungen zweier (Jonlpaciscenten, 
welche eine vermeintliche Zwangslage der Regierung für nationale Parteizweche 
auszubeuten strebten, und die Unterrichtsverwaltung nahm sofort die Verlegung 
der Gewerbesehule nach Pilsen in Angriff d"). 
') In Prag waren zwischen der Regierung einerseits und der Stadtvertretung, dem böhmischen 
Gewerbevereine, der Handelskammer und dem Landesausschusse anderseits schon vor zwei Jahren 
Verhandlungen eingeleitet worden bezüglich der Beitragsleistungen zum Jahresnufwnnds der dort zu 
errichtenden Stnatsgewcrbeschnle. Da sieh hiebci principielle Dißerenzen niemals ergeben hatten, 
sonach der rechtzeitige Abschluss des Vertrages bestimmt erwartet werden konnte, traf das Unterrichts- 
ministerium alle nothweudigen blnssnahmexi zur Erötfnung der Schule. 
Nachdem bereits Schulprogralnine und Lehrpläne publicirt und mehrere Lehrkräfte von der 
Regierung ernannt waren, stellten die Vertreter der Stadtgemeinde und des böhmischen Gewerbe- 
vereiuef vor der durch sie lange verschleppten Unterzeichnung des Vertrsgsentwxxrfs plötzlich 
vollkommen neue , bisher nie zur Sprache gekommene Furdcrnngexi. Sie begehrten verstärkte 
Garantien Pn- die Pnrität beider Landessprachen im Unterrichte. 
Diese Forderungen mussten um so mehr hefremden, als die Regierung gleich zu Beginn der 
Verhandlungen der Aufnahme einer Erklärung in den Vertrag unbedingt zugestimmt hatte, dass sie 
sich verpdichte, den utraquistisehen Charakter der Lehranstalt zu wahren; und 
zwar sollte nach Absicht der Unterrichtsverwsltung in Parallelclassen jeder 
Gegenstand des Unterrichtsplanes sowohl in deutscher als such in böhmischer 
Sprache gelehrt werden. Im Geiste dieser Vertragsbawtimmungen hatte die Unterrichtsverwaltung 
einen beider ldiomc kundigen Fachmann, dessen Muttersprache zudem die böhmische ist, mit der 
(Jrgauisirung und Leitung der Anstalt betraut, und dadurch zu erkennen gegeben, dass ihr bei einer 
dem Volkswuhlstnnde gewidmeten Schöpfung jede politische Tendenz ferne liege. 
Diese entgegenkommende Haltung der Regierung scheint die Prager Stadtvertretung und den 
böhmischen Gewcrbevereiu zu der Forderung ermuntert zu haben, es möge ihnen vertragsmüssig 
Mitwirkung und Controlle bei Ernennung des Lehrpersonales der Staatsgewerheschille eingeräumt 
und insbesondere, stipulirt werden, dass zum Director der Anstalt stets nur eine beider Landes- 
sprachen vollkommen mächtige Persönlichkeit ernannt werden dürfe. Finden sie in einem Falle 
diese Bedingungen nicht erfüllt, so seien sie ihrer Verpflichtungen zur Beitragsleistung entbunden. 
Abgesehen davon, dass solche lngerena in die Ernennung von Staatsbeamten von keiner 
Rcgicrung jemals zugestanden werden könnte, vermochte sich die Unterrichtsverwsltuug nicht au 
verhehlen, wie willkürlichen Deutungen: namentlich jene Vertrugsbestimmung sich im einzelnen Falle 
unterziehen Hesse, nach welcher der Direeter eines gewissen Idioms vollkommen mächtig sein 
müsste. Eine solche Bestimmung böte jederzeit Handhaben, Persönlichkeiten, deren politische Farbe 
rincr nationalen Partei nicht ausgesprochen genug dünkt, von einem Posten anszuschlieseu, für 
welchen die fachliche Befähigung vor Allem den Ausschlag geben muss. Überhaupt lieferten die 
gelhrdcrtcn Vertragspuncte jederzeit zahlreiche und willkommene Vorwändc. von der Beitragsleistung 
zurüv kzutreten und dem Staateschatze die ganze liuanzielle Last allein aufznbiirdgm 
Als" diese Forderungen aurüukgewieseu wurden, mndificirte der Prager Stadtrath sein Begehren 
flllfrll Propositinn von Kündigungsklausoln, welche für die Regierung geradezu beleidigend schienen. 
Die Zumuthung so unhegründeter, ja unmöglicher Zugeständnisse. kann wshl nur dadurch 
erklärt werden, dssa man sich in Prag der Vorstellung hingnb, die Regierung befinde jigh in F0
	        
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