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Hatten durch Jahre hindurch nur einzelne Männer, wie der Holz-
bildhauer Untersberger, der Buchbinder und Ledergalanteriearbeiter Wolf,
der Hafner und jetzige Bürgermeister Schleiß, sich um die Hebung der
Kunstindustrie bedeutende Verdienste erworben, so haben sich nun die
hervorragenderen Industriellen Gmundens zusammengethan, und durch
Gründung eines Gewerbevereines (mit dem Maler K. Taitl als Vorstand
und Bürgerschuldirector Laher als Schriftführer) zunächst ein Centrum der
gewerblichen Bestrebungen der Stadt geschaffen. Dass ein solcher Gedanke
im Schoße der Bevölkerung selbst entsprungen und durch eigene Kraft
verwirklicht worden ist, lässt hoffen, dass er in Kürze tiefe Wurzeln
fassen und allgemeine Sympathie erwecken wird. Die Mittel, welche zu-
nächst zur Förderung der Kunstindustrie ergriffen wurden, sind vollkommen
zweckentsprechend. In den Monatsversammlungen des Gewerbevereines
gelangen Modelle, Vorlagenwerke und fertige Gegenstände zur Ansicht,
gewerbliche Fragen werden eingehend erörtert und endlich ist für den
Monat August eines jeden Jahres eine Ausstellung der gewerblichen Er-
zeugnisse Gmundens projectirt. Auf diese Weise ist eine stets wachsende
Theilnahme von Seite der Gewerbetreibenden zu erwarten und mit Sicher-
heit darauf zu rechnen, dass zahlreiche in der dortigen Bevölkerung
schlummernde Talente geweckt und zu erfolgreichem SchaiTen heran-
gebildet werden.
Indem wir hoffen, dass das ersprießliche Wirken des Gewerbevereines
recht bald zu anerkennenswerthen Leistungen in der Kunstindustrie führen
wird, wünschen wir demselben frisches, kraftvolles Gedeihen.
Vorlesungen im Museum.
Am z. Nlarz hielt Dr. F. Linke eine Vorlesung über das Porzellan, deren Inhalt
wir in Folgendem skizziren:
im ersten Jahrhundert vor Christa wurde in China die Kunst erfunden, aus Kaolin
(Porzellanerde) und Petuntse (Feldspath) Porzellan zu erzeugen. Unter dem Schutze
kaiserlicher Privilegien gewann die chinesische Porzellanindustrie in der Folge eine mach-
tige Entwicklung und eigenartige Gestaltung. Europa wurde erst sehr spät bekannt mit
dem chinesischen Fabricate, zunächst durch spärliche Nachrichten von Reisenden, ver-
einzelte herübergelangte Proben, die in den fürstlichen Schatzkammern Juwelen gleich
geschätzt und in Ehren gehalten wurden. Erst im 16. und I7. Jahrhundert kamen durch
die Handelsbeziehungen der Portugiesen und Holländer große Mengen chinesischen Por-
zellans, immer noch zu enormen Preisen, auf den europäischen Markt. Alle Bemühungen
in Europa, das chinesische Fabricat nachzubilden, scheiterten bis 170g, wo es dem Alchi-
rnisten Böttger in Dresden gelang, das richtige Material, die Kaolinerde (bei Aue in
Sachsen) ausfindig zu machen und damit Porzellan zu erzeugen. Die Fabrik zu Meißen,
die darauihin errichtet wurde, bildete das Verfahren B6ttger's (zunächst unter seiner
eigenen Leitung) aus, so dass das wdeutscheu Porzellan bald das chinesische Product aus
dern Felde schlagen konnte. -
Der Vortragende schilderte dann kurz die Entwicklung und Ausbreitung der Por-
zellanfabrication in Europa.
Das Geheimnies der Bereitung drang von Meißen zunächst nach Wien, wo 17:8
eine Fabrik entstand, die später Staatseigenthum wurde und deren Schicksale der Vor-
tragende bis zur Auflassung 1767 kurz schilderte.