MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVII (1882 / 199)

Wenn sich Referent im Nachfolgenden einige Bemerkungen über die Aufstellungen 
Man's erlaubt, so soll damit keineswegs seiner sorgfältigen und wohlüberlegten Arbeit 
entgegengetreten werden, der es ia allein zu danken ist, dass wir uns über die Entwicke- 
lung der Decorationsmalerei Meinungen bilden dürfen. ' 
Ich glaube, es muss Jedermann Wunder nehmen und es dürfte auch so leicht nicht 
eine Analogie dafür gefunden werden, dass sich aus einer Malerei, die durch die Kunst- 
mittel perspectivischer Darstellung decorirt, eine Flachornamentation entwickelt, die nach 
verhaltnissmalfig kurzer Zeit die eben durchgemachte Entwickelung in umgekehrter Reihe 
wiederholt, um endlich wiederum bei einer, wenn auch im Detail anders gestalteten und 
bizarreren architektonischen Prospectmalcrei anzugelangen. 
Mau selbst macht auf die mannigfaltige Aehnlichkeit der Motive, auf das Zurück- 
greifen des vierten Styles in den zweiten aufmerksam (451. E). Wenn wir nun sehen, wie 
charakteristische Elemente des zweiten Styles, wie dar Sockel (vgl. S. 306), im vierten 
Style wiederkehren, anderseits die gerade im vierten Style so hauügen Durchbrechungen 
im zweiten ihren Vorgang finden (vgl. S. 388), so scheint es mir natürlicher, eine unter- 
brochene Entwickelung des zweiten Styles in den vierten anzunehmen (ein gutes Beispiel 
des Ueberganges Mau's Tafel VIII), während der dritte Styl eine Episode bildet, die vor- 
übergehende Einwanderung eines fremden Styles, der, wie mir scheint, ein Heimats- 
zeugniss deutlich geschrieben mitbringt. 
Man hat ein Beispiel des ersten Styles, des Incrustations-Styles, aus Pergamon auf- 
geführt (S. toB) und damit seine Verbreitung über die ganze hellenistische Welt nach- 
gewiesen. Auch in dem zweiten oder vierten Style sind keinerlei Anzeichen vorhanden, 
die uns auf ihre Entstehung an einem bestimmten Orte schließen ließen. Anders im dritten 
Style: jene weißen Bander und Pilaster, welche die Wände durchschneiden, haben einen 
durchaus ungriechischen Charakter; Mau hat es sehr glücklich durch die Worte aus- 
gedrückt, mit welchen er einen solchen Pfeiler schildert: nSeine eigenthümliche Orna- 
mentirung, durch die er, von ferne gesehen, an einen Hieroglyphen- 
streifen erinnert, ist dem dritten Styl eigenthümlichu (S. 336), ohne daraus weitere 
Consequenzen zu ziehen. Doch nicht nur die Ornatnentation dieser Streifen und Pfeiler, 
sondern auch die weißen Säulen mit den lichtcolorirten zarten Reifen und Bändern finden 
ihre Analogie in altagyptischen. Man vergleiche nur einmal das Aediculum auf Taf. XIII, 
XIV oder die Säulen auf Taf.XVI mit altagyptischer Säulendecoration, z. B. den Säulen- 
capitalern bei Prisse d'Avennes, um die nahe Verwandtschaft beider Decorations-Systeme 
zu erkennen. Die ei- und halbeifnrmigen Gebilde in den Ornamentstreifen oben rechts 
auf derselben Tafel XIV sind augenscheinlich aus den ägyptischen Ornamenten, auf 
welchen Lotosblumen mit Knospen wechseln (vgl. Prisse d'Avennes, Archit. Couronnements 
etTrises Fleuronnees. Necrop. de Theb. XVllL-XX. Dynast. N0. 7,'9, io) hervorgegangen, 
sowie das Ornament auf Taf. XX, links mitten, in seinen beiden Streifen die Lotosblumen 
noch deutlich erkennen lässt. 
Das Ornament des breiteren Streifens in Hohe der Saulenbasis auf Tafel XVl kehrt 
auf einer Wand in den Ant. di Ercol. Tom. IV Tav. LXIX, LXX wieder, verbunden mit 
einem der Lotosblume nachgebildeten Saulencapital, mit einer Saule, die mit gewollten 
Nachahmungen der Hieroglyphen verziert ist und endlich mit ägyptischen Scenen im Friese, 
wie uns solche in anderen Werken dieses Styles z. B. im Fries des Aediculums ober dem 
Laokoonbilde (Nicolini Descr. Gen. Tav. LXVI, oder Descr. Gen. Tav. LXX), jedoch, wie 
ich glaube, weder auf Werken vierten noch zweiten Styles begegnen. 
Ich mochte mir daraus folgende Meinung bilden: In Aegypten, in Alexandrien also 
hat sich aus der allgemein hellenistischen Decorationsweise, vielleicht zur Zeit der wirth- 
schaftlichen Besserung, als das Land kaiserliche Provinz wurde, ein neuer Styl gebildet, 
ein Rinascimento der altagyptischen Kunst. in dem die hellenistische Kunst agyptische 
Motive aufnahm, aber in ihrer eigenen Weise umstylisirte und decorativ verwendete. Die 
teppicliartige Form dieser ganzen Decoration und das Aufgeben der perspectivischen 
Kunststücke ist eine natürliche Folge der Einwirkung der ägyptischen Flachendecoration. 
Als dieser Styl dann nach Westen, in die Länder des Architekturstyles als neue Mode 
verbreitet wurde, gerne Aufnahme fand, weil er auch die besseren alexandriniachen Ge- 
mllde mitbrachte, hat er auf den strengen, etwas schematischen Architekturstyl befreiend 
eingewirkt und seine Umbildung und Auflösung in phantastische und freiere Architektur- 
gebilde gewiss begünstigt 
Für die Leser dieser Blätter möge noch auf eine ästhetische Bemerkung Mau's ein- 
gegangen werden: er setzt auch in seiner künstlerischen Bedeutung den dritten Styl 
hoch über den vierten. Wie ich glaube, mit Unrecht; die sorgfaltigere Ausführung kann 
') Inzwischen hat Adolf Furlwzengler in der Beilage der Augsbf Allgem. Ztg. eine 
ähnlich: Meinung ausgesprochen.
	        
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