schliffene viel mehr Mineralisches oder Metallisches an sich hat. lst aber schon das Thun
des Bläsers ein individuelles, so muss vollends der Arbeiter, welcher die glühenden Stäbe
und Faden als Henkel, Schlangenlinien, Ranken etc. anheftet, mit der Zange die Blätter,
Blüthen, Delphine u. dgl. m. formt, künstlerisches Verständniss mit der höchsten tech-
nischen Sicherheit vereinigen. Bei der Raschheit, welche sein Werk erfordert, kann er
sich unmdglich mit sklavischer Genauigkeit an ein Vorbild halten, sondern nur an die
Hauptlinien der Zeichnung, deren Ausführung im Einzelnen durch den Moment, durch
die Benutzung von Zufällen bedingt ist. Es leuchtet ein, dass zwei völlig gleiche Stücke
auf diese Weise nicht entstehen können; um so viel näher steht daher diese Technik
der Kunst, als dem nach der Schablone arbeitenden Handwerke.
Sowohl in der Glasfarbung als in der Glasplastik hat die Ausstellung sehr Bemer-
kenswerthes aufzuweisen. Meyr's Neffe in Adolf in Böhmen, eine Fabrik, welche sonst
in Verbindung mit L. Lobmeyr auszustellen pflegte, ist zum erstenrnale selbständig auf-
getreten und hat neben vielem anderen Trelllicben einen Goldton gebracht, der von
außerordentlich schöner Wirkung ist. Dein Glase isrdie reine Durchsichtigkeit bewahrt,
aber der Anschein des Korperlosen genommen, und die Farbe hat nichts Schillerndes,
nichts an die Seifenblase Mahnendes, wie jene irisirenden Glaser, von denen ausgehend
man zu diesem herrlichen Resultate gelangt ist. Geharteter Rheinwein müsste ungefähr
so aussehen.
Farbige Glasgefäße mit Henkeln, Steinen, Tropfen u. dgl. aus anders gefärbter
Masse haben sich in den letzten Jahren schon bei uns eingebürgert. Einen Schritt weiter
ist nun die graflich Harrachsche Fabrik in Neuwelt gegangen. Sie hat ein neues Genre
geschaffen, welches wohl eine gewisse Verwandtschaft mit dem venetianischen hat, sich
von diesem aber durch derbere Formen und eine, man möchte sagen, kühne Farben-
gebung unterscheidet. Der Doctrinarismus geräth diesen Bildungen gegenüber, wie so
häufig dem Neuen, in arge Bedrangniss. Unstreitig liegt ein naturalistischer Zug in der
Art, wie hier Blüthenzweige gleichsam hingeworfen sind, um den Körper des Gefäßes,
und das Blau, Grün, Roth, Violett auf goldig-braunlichem Grunde steht entschieden nicht
im Einklang mit den Sätzen populärer Compendien der Farbenlehre. Freilich hat das,
was die Franzosen Japonisme nennen, schon seit zehn Jahren in die Schulvorstellungen
vom Styl Bresche gelegt, und auch gegen Farben-Combinationen sind wir viel duldsamer
geworden. Und während wir das Copiren ostasiatischer Absonderlichkeiten keineswegs
als eine gesunde Richtung ansehen können, ist die hier erwähnte freie Ornamentations-
weise in den Schranken des Materials und der Technik und des uns angeborenen Ge-
schmackes geblieben, lasst sich mithin vor den natürlichen Stylgesetzen rechtfertigen.
Andererseits muss wieder beachtet werden, dass Durchsichtigkeit und Strahlenbrechung
Farben-Zusammenstellungen möglich und reizend machen, deren Uebettragung auf andere
Stoffe nicht einfach zu empfehlen sein würde. Für den Tafelschmuck lässt sich nichts
Heitereres denken, als solche Gefäße, welche aus lauter leuchtenden Farben bestehen,
deren Zahl unbegrenzt zu sein scheint, da auffallendes, durchfallendes und reßectirtes
Licht unendliche Mischungen hervorbringen.
Im gravirten Krystallglase und in den Prunkstücken mit Schmelzmalerei hat Lob-
meyr noch keinen Nebenbuhler. Reich ßtCo. und Schreiber 8: NeEen cultiviren vornehm-
lich Beleuchtungsgegenstande, also ein Feld, auf welchem noch viel zu arbeiten ist und
auf welchem fortwährend neue Aufgaben gestellt werden. Noch können wir nicht be-
haupten, dass Technik und Aesthetik das vollkommen Befriedigende für das Petroleum
zu Tage gefordert hätten, das vor zwanzig Jahren zu uns kam, und schon macht die
elektrische Flamme ihre Ansprüche geltend. Für sie passt wieder keine von den Formen,
mit welchen man auskam, so lange Holz, Oel, Kerzen uns leuchteten, und das den grellen
Schein mildernde, aber die Leuchtkraft nicht übermäßig beeinträchtigende Medium soll
gefunden werden, und zwar sehr bald, lieber heute als morgen. Denn wir sind gar un-
geduldig, übersehen leicht die rasche Folge neuer Erscheinungen in unserer Zeit, während
ehemals vdurch vielhundertjährigen Volksgebrauch der Styl sich entwickeln konnte-i.
Diesen Unterschied müssen wir uns gegenwärtig halten, um nicht ungerecht zu werden
gegen das unsichere Tasten derer, welche den neuen Dingen das passende künstlerische
Kleid geben möchten; aber es kann uns nicht abhalten, Fehlgrilfe zu rügen. So z. B. die
Vorliebe, Lampen, Blumenvasen u. dgl. mit figürlicher Malerei auszustatten. Wirkliche
Künstler werden damit nicht betraut, da ihre Arbeit den Gegenstand zu sehr vertheuern
würde; so begegnen uns denn fast überall schlecht gezeichnete, schlecht colorirte Bilder,
oft wahre Carricaturen, deren täglicher Anblick auch dem weniger gebildeten Auge zum
Grauel werden muss, wogegen ein gefalliges Ornament, für welches die geeigneten Kräfte
sich eher finden, nicht sobald ermüdet. Die Herstellung farbiger Glasglocken hat erstaun-
liche Fortschritte gemacht; bis zur Große von einem halben Meter Durchmesser bläst
man sie, freilich leistet das nicht mehr die menschliche Lunge, sondern eine Maschine.
Aber in der Decorirung großer und kleiner Glocken kommen fortwährend allerlei Wun-
derlichkeiten vor. Auf gefärbtem oder mattirtem Glase werden Ornamente durchsichtig