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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 208)

Staates und wie kurz war sein Bestand; wie gewaltig waren die Reiche 
der Ost- und Westgothen sowie der Longobarden, und doch sind sie in 
verhältnissmäßig kurzer Zeit fast spurlos vorübergegangen. Sie hatten sich, 
ich möchte sagen, geistig bald ausgelebt, und sie hatten auch nicht jene 
geistige Widerstandskraft, um sich im historischen Leben zu bewähren 
und sich in der Reihe der Staaten zu behaupten. 
Solche Gedanken bewegen uns in diesen Tagen, wenn wir uns erin- 
nern, dass wir in einem Staate leben, dessen ersten Grundstein der Größte 
der deutschen Nation vor mehr als tausend Jahren gelegt hat, nämlich 
der Franke Karl der Große, dessen gewaltige Gestalt gewissermaßen die 
geistige Wetterscheide bildet zwischen Alterthum und Neuzeit, den die 
Kirche in die Reihe der Heiligen aufgenommen hat und den die Ge- 
schichte mit Zustimmung Aller den Großen nennt. Der von dieser mäch- 
tigen Hand gegründete Staat wird heutigen Tages von einer Dynastie re- 
giert, welche bereits seit sechs Jahrhunderten das nach und nach aus der 
Ostmark entstandene Oesterreich beherrscht, das seit den Zeiten Karl's des 
Großen bis in die Gegenwart stets einen Schutzwall gegen die von Osten 
drohenden Gefahren gebildet, und immer als ein Mark- und Grundstein 
der mitteleuropäischen Civilisation sich bewährt hat. Es sind große histo- 
rische Erinnerungen, welche in unserer Seele aufsteigen, die uns auch 
mit Muth und Zuversicht für die Zukunft erfüllen, und die uns auch den 
hohen Werth jener Kunst in einem ganz bedeutsamen Lichte erscheinen 
lassen, welche wir mit einem allgemeinverständlichen Worte der histo- 
rischen Kunst bezeichnen, in der Plastik und Architektur die Denkmal- 
kunst, in der Malerei die Historienmalerei nennen. 
Verweilen wir diesmal bei der letztgenannten Schwesterkunst der 
zeichnenden Künste. Wenn von historischer Kunst gesprochen wird, ver- 
steht man vor Allem die historische Malerei. Dass der österreichische 
Künstler, welcher sich dem historischen Gemälde zuwendet, in der hei- 
mischen Geschichtsliteratur nur ein wenig genügendes Material vorlindet, 
unterliegt wohl keinem Zweifel; alle Künstler klagen hierüber. In Frankreich, 
speciell in England und auch in Italien findet der Künstler eine außer- 
ordentlich reiche historische Literatur, welche alle Zweige der Geschichte 
wissenschaftlich und eingehend behandelt. Auch die Alterthums- und 
Costümkunde, der historische Roman, der für Künstler so anregend 
wirkt, ist in Oesterreich vernachlässigt. Die gelehrten Geschichtsbücher, 
welche sich mit österreichischer Geschichte beschäftigen, sind im Ganzen 
und Großen viel zu schwerfällig und zu breit angelegt und zumeist nur 
für den Gebrauch der Universität und der Schule abgefasst. Nur wenige 
Geschichtswerke, welche von österreichischen Schriftstellern herrühren, 
befinden sich daher in den Händen der Künstler und werden gründlich 
gelesen, sie werden mehr als Nachschlagebücher benützt. Zudem wird 
mit Vorliebe die politische Geschichte, die Geschichte der Haupt- und 
Staatsactionen behandelt, dagegen all' dasjenige, was sich auf das innere
	        
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