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im eigentlichen Sinne des Wortes gewesen. Die moderne Zeit warf ihre
ersten Strahlen in die christlich- germanische Zeit; die Baukunst schuf
den sogenannten Uebergangsstyl, welcher sich später zur Gothik ent-
wickelt hat.
Es war ein großer fruchtbarer Gedanke, welcher Karl den Großen
veranlasst hat, an der Ostgrenze des Abendlandes zum Schutze der euro-
päischen Civilisation eine Ostmark zu gründen, welche berufen war, einen
Damm gegen jene unruhigen Elemente zu bilden, welche der staatlichen
Entwickelung des europäischen Völkerlebens hemmend in den Weg treten.
In Osteuropa und Asien traten Bewegungen hervor, welche die Ruhe
Europzfs störten. Die Hunnen, Avaren, Mongolen, Magyaren und Osmanen
haben wiederholt das christliche Abendland angegriffen. Noch dauert
diese Bewegung fort. In allen Zeiten hat die Ostmark und das Oester-
reich, das sich aus der Ostmark entwickelt hat, seine Mission erfüllt.
Bevor die Habsburger die Herrschaft der Ostmark übernommen haben,
war es das Geschlecht der Babenberger, welche die Ostmark regierten,
die heidnischen Ungarn besiegten, die, kaiser- und reichstreu, wie sie
waren, an den Kreuzzügen rühmlichen Antheil nahmen und dessen letzter
Sprosse im Kampfe gegen die von Osten vordringenden Mongolen und
Ungarn auf dem Schlachtfelde bei Wiener-Neustadt am 15. Juli 124.6 in
der Bllithe des Mannesalters ruhmvoll gefallen ist. Um die Bedeutung
der Herrschaft der Babenberger hervorzuheben: brauche ich nur zu
erinnern, dass sie die Stefanskirche gegründet, den Minnegesang, Dich-
tung und Schule gefördert, das Städterecht gesichert und die Burg ge-
gründet haben, in welcher die österreichischen Herrscher bis in die jüngste
Zeit ihre Residenz aufgeschlagen haben. Die Stefanskirche und Burg
sind die volksthümlichsten Repräsentanten des alten ehrwürdigen Oester-
reich geblieben. Alle welthistorischen Ereignisse, die über das Schicksal des
Reiches dahingingen, bewegten sich in dem Weichbilde der Burg und der
Stefanskirche. Nach dem Tode des letzten Babenbergers, in der schwer-
sten Zeit, wo die Gefahren, welche von Osten drohten, durch Verwicke-
lungen im Innern gesteigert wurden, da war es für das deutsche Reich
und für die Ostmark ein wahrhaft glückliches Ereigniss, dass der verwaiste
Thron in die Hände der I-labsburger gelangte. Es war im Jahre 1273,
als der Graf von Habsburg von den deutschen Churfürsten zum deutschen
König gewählt wurde, und so viel auch in Geschichte und Sage über die
Wahlvorgänge enthalten ist, so steht doch fest, dass die Vorzüge des
habsburgischen Grafen, vor Allem seine persönliche Tapferkeit es waren,
welche die Wahl der Churfürsten auf ihn lenkten, urn in jener Zeit der
Willkür den Landfrieden wieder herstellen und den Adel und die strei-
tenden Städte und Bischöfe in ihre Schranken zurückweisen zu können.
Die Festigkeit, welche der mannhafte Habsburger bei Herstellung des Land-
friedens zeigte, vermochte doch nicht den Widerstand des hochstrebenden
Pi-emysliden Ottokar zu brechen, welcher wiederholt den Landfrieden