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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 209)

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Diese verlieren dabei jeden Halt und alles Urtheil. Für diese beginnt nun 
auch das Widersinnige und absolut Geschmacklose seine kaum überwun- 
dene Anziehungskraft von Neuem auszuüben. 
lst auch auf der Weihnachts-Ausstellung von solchen Dingen wenig zu 
sehen, so braucht man doch nicht weit zu gehen, um es in den Schau- 
fenstern unserer elegantesten Magazine zu linden. Von Jahr zu Jahr mehren 
sich die verrücktesten Sportartikel, es ist kaum mehr möglich denselben 
zu entrinnen, denn wer sie nicht kauft erhält sie zum Geschenke. Hand 
in Hand damit greift der Naturalismus immer weiter um sich. Warum 
auch nicht? - Wer Gothik, Renaissance, Barocke, Rococo, Zopf und 
obendrein Chinesen- und Japanesenthum gleichzeitig schön finden soll, 
der muss ganz anders künstlerisch geschult sein, als die große Menge, 
oder er sieht es als eine völlig unberechtigte Marotte an, wenn verlangt 
wird, er solle vor den Sport- und vPhantaSie-Artikelnu plötzlich Halt 
machen. Dazu kommt noch, dass diese Erzeugnisse von jenem Markte 
ungemein begünstigt werden, der gegenwärtig in Europa die meisten 
Hände beschäftigt: beim Gros der Amerikaner ist nur solche Waare 
an Mann zu bringen. Natürlich fällt ein gut Theil davon auch für die 
heimatlichen Yankees ab, und sie beeilen sich, in den Besitz von Salon- 
möbeln aus Büffelhörnern und Lustern aus Reitpeitschen und Steigbügeln 
zu gelangen. Diese Formen der Bekämpfung der Langeweile waren stets 
vorhanden. wLe monde ou l'on s'ennuieu liebte gerade dieses Genre von 
jeher und wird es immer lieben. Es wäre daher überHüssig, ihnen in 
diesen Blättern größere Beachtung zu schenken, wenn sie nicht, begün- 
stigt durch die beiden Factoren überseeischer und heimatlicher Barbarei, 
in so rascher Zunahme begriffen wären, dass sie nachgerade der guten 
Richtung unserer Kunstindustrie gefährlich zu werden drohten. Etablisse- 
ments, welche vor Kurzem einen ehrenvollen Platz in der heimischen 
Kunstindustrie eingenommen, arbeiten gegenwärtig nur mehr in diesem 
Genre, die Zahl jener Industriellen aber, die damit gar nichts zu schaffen 
haben will, dürfte ein paar Dutzend kaum übersteigen. 
Dieser Strömung gegenüber muss das Museum mit aller Kraft und 
allen Mitteln an seiner traditionellen Aufgabe festhalten, und hat es auch 
gelegentlich der Weihnachts-Ausstellung gethan. Dank dem gesunden 
Kerne unserer Kunstindustrie ist von mehr als 340 Anmeldungen noch 
immer so viel zurückgeblieben, dass die Ausstellung keineswegs einen 
ärmlichen Eindruck macht. Die starke Betheiligung an derselben hat das 
Museum sogar veranlasst, heuer den großen Gypssaal für die Ausstellung 
zu adaptiren, und trotz der, selbst bei hervorragenden Industriellen be- 
stehenden Unsicherheit des künstlerischen Urtheils ist so viel des Guten 
geblieben, dass jeder Besucher auch in diesem Jahre wenigstens an dem 
"Bruchtbeile unserer Kunstindustrie, der sich hier dem Auge darbietet, 
seine Freude haben kann. 
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