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Umgebung der Stadt rasch vermehrt haben. Fast gegenüber dem Heiligengeist-Spital,
jenseits des Wienflusses, entstand um das Jahr 1257 durch den Wohlthätigkeitssinn der
Bürger und begünstigt durch König Ottokar ein zweites Asyl für Arme und Kranke, das
Bürgerspital; wenige Jahre später erhielt Wien zwei Spitäler für Aussätzige: den
Klagbaum ans der Wieden und St. Lazar bei St. Marx.
Aber wie sehr auch König Premysl Ottokar als Schöpfer eines mächtigen Reiches,
dessen Grenzen vom Riesengebirge bis zum adriatischen Meere reichten, bemüht war, sich
an Wien eine feste Stütze für seine Macht gegen Ungarn und gegen die seiner Herrschaft
unterworfenen Alpenländer zu schaffen, wie bereitwillig die Bürger Wiens ihm auch zu einer
solchen Stütze dienten, so würde ihre Stadt unter den Premysliden doch niemals zu ihrer
späteren Bedeutung gelangt sein, weil der Schwerpunkt des böhmischen Reiches Prag
blieb. Als daher nach dem Tode des Königs Richard die deutschen Fürsten den Grafen
Rudolf von Habsbnrg zum Reichsoberhaupte wählten und dieser nach der denkwürdigen
Schlacht am Weidenbach (1278), in der König Ottokar sein Leben verlor, die alten
Babenberg'schen Reichslehen Österreich, Steiermark und Kram für sein Haus in Anspruch
nahm, trat thatsächlich in den Geschicken Wiens eine neue, entscheidende Wendung ein. Das
emporblühende Geschlecht der Habsburger vereinigte, nachdem es zu Kraft und Ansehen
gelangt war, ein immer größer werdendes Lündergebiet, das im Laufe der Jahrhunderte
zu einem mächtigen Reiche emporwuchs. Wien war es beschieden, der Mittelpunkt dieses
Reiches, dieStätte der reichen Culturgaben deutschen Geistes und deutscher Arbeit zu werden.
Anfangs unterwarfen sich die Bürger, eingedenk ihrer von Ottokar erhaltenen Begünsti
gungen, nur mit großem Widerstreben der Herrschaft der Habsburger, und die in ihrem
Interesse sich bedroht fühlenden vornehmen Geschlechter ließen sich sogar in Verschwörungen
gegen Rudolf und seinen Sohn Albrecht ein. Durch kluges und gerechtes Verfahren und
durch ihren den unteren Volksclassen gewährten Schutz überwanden aber die Habsburger
bald jeden Widerstand, so daß sie Wien schon nach kurzer Zeit als eine ihrer kräftigsten
Stützen priesen. Thatsächlich vertheidigten bereits im Jahre 1291 die Wiener — ungeachtet
ihrer Verstimmung gegen Herzog Albrecht I. wegen seiner Begünstigung der Fremden —
die Stadt gegen die Ungarn. In den Jahren 1296 und 1308 lehnte die entschiedene
Mehrheit der Bürger jede Betheiligung an den Verschwörungen der österreichischen Land
herren ab. Nach dem Ländertheilungsvertrage des Jahres 1379, welcher ernste Zerwürfnisse
im fürstlichen Hause hervorrief, traten allerdings manche Wechselfälle in der Haltung Wiens
ein und es wurde der Schauplatz der heftigsten politischen Parteikämpfe. Für eine gerechte
Sache büßten aber Bürgermeister Konrad Vorlauf und drei Rathsherren im Jahre 1408
ihr Leben ein. Opferwillig standen Wiener Bürger und ihre Söldner in den Reihen der
Aufgebote gegen die ungarischen Freibeuter (1403), gegen die Hussiten (1421 bis 1425),