MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 215)

472 
' Ausstellung allgemeiner gewerblicher und fachlicher Fortbildungs- 
schulen. 
Die in den Tagen vom 13. bis t5. Juli stattgefundenen Ausstellungen der gewerb- 
lichen Fortbildungsschulen gaben erwünschte Gelegenheit, die Thatigkeit an jenen An- 
stalten während des abgelaufenen Schuljahres kennen zu lernen. Der starke Besuch dieser 
Gattung gewerblicher Lehranstalten, welchen die Aufgabe zufallt, Lehrlinge und Gehilfen 
der verschiedensten Branchen in den Abendstunden und an Sonn- und Feiertagen Vor- 
mittags durch theoretischen und praktischen Unterricht weiter zu bilden, ist ein Beweis, 
dass dieselben in den industriereichen Bezirken Wiens "einem unabweisbaren Bedürfnisse 
entgegenkommen. lndem an diesen Schulen auch Lehrlinge und Gehilfen kunstindustrieller 
Branchen unterrichtet werden, verfolgt das Oesterr. Museum mit mehr als gewohnlichem 
Interesse die Leistungen speciell im geometrischen und Freihandzeichnen sowie im Fach- 
zeichnen und Modelliren. ln dieser Richtung boten aber die Ausstellungen kein durch- 
wegs erfreuliches Bild. Bei aller Anerkennung einzelner Leistungen und unter voller 
Berücksichtigung der großen Schwierigkeiten, welche der Unterricht eines so verschieden- 
artig qualiücirten Schülermatcrials darbietet, kann man sich dennoch nicht verhehlen, 
dass diese Schulen ihre Aufgabe in wesentlichen Punkten nicht in befriedigender Weise 
erfüllen. lm geometrischen Zeichnen fehlt häufig jener systematische Vorgang, durch 
welchen allein ein richtiger Unterrichtserfolg erzielt werden kann. lrn angewandten geo- 
metrischen Zeichnen wird mehr als nothig mit Pinsel und Farbe jgearbeitet, mehr auf 
den Effect als auf das Verstandniss der Form abgezielt. Eine sichere Führung von Seite 
des Lehrers, welche mit Liebe und Einsicht bei den einzelnen Gruppen von Schülern 
ein bestimmtes Lehrziel verfolgt, ist nur in seltenen Fallen bemerkbar, dagegen zeigt 
sich ein dilettirendes Herumtasten mit Vorlagen, deren pädagogische Zwecklosigkeit jedem 
Laien auffallen muss. Ganz denselben Mängeln begegnen wir im Freihandzeicltnen. Hier 
ist die Wahl der Vorlagen häufig noch viel unverständlicher, die Darstellungsweise unge- 
Jechtfertigter als beim geometrischen Zeichnen. In einer dieser Schulen wurden sogar 
Gypsmodelle aus der Zeit des crassesten Ungeschmackes (etwa aus den Fünfziger Jahren) 
als Vorlagen benützt. 
Aus alledem geht hervor, dass bei Auswahl der Lehrkräfte nicht durchwegs auf 
die nothige Fachkenntniss Rücksicht genommen wurde, was in den meisten Fallen in 
dem Mangel an solchen Kräften seine Erklärung finden dürfte. Um so nothwendiger und 
dringender stellt sich daher die Renlisirung jener Absichten heraus, welche die Regierung 
bezüglich der Ausbildung an solchen Schulen angestellter Lehrer in Ferialcursen an 
Staatsgewerbescbulen hat, und ein Zurückhalten der dazu erforderlichen Summen wäre 
um so nachtheiliger, als die bedeutenden Geldopfer, welche die Erhaltung der allgemeinen 
Fortbildungsscbulen erfordert, so lange dem durch dieselben erhielten Erfolge nicht ent- 
sprechen; als an solchen Schulen nicht fachlich gebildete Lehrkräfte wirken. 
ln gleichem Sinne hat sich die Centralcommission für Angelegenheiten des gewerb- 
lichen Unterrichtes ausgesprochen '). Sie betont nicht allein die Wichtigkeit und Bedeu- 
tung dieser Schulen für Wien, ja für die ganze Monarchie, sie findet auch eine Reorga- 
nisation und Ausbildung derselben unter bestimmten fachlichen Gesichtspunkten für höchst 
wonschenswerth. Haben es die gesetzlichen Bestimmungen für die niederosterr. Schulen 
dieser Kategorie, welche dieselben der Comperenz der Schulbehörden zuweisen, und die 
abnormen Vervraltungsverhaltnisse bis zum Jahre 1882 veranlasst, dass die allgemeinen 
und fachlichen Fortbildungsschulen in Niederösterreich jahrelang desjenigen Ausmaßes von 
Staatsunterstützung entbehrten, dessen sie zu ihrer Ausgestaltung bedurft hatten, so sei 
gegenwärtig eine um so intensivere Action von Seite der Regierung auf diesem Gebiete 
nothwendig, als in anderen Ländern gerade diesem Factor des gewerblichen Bildungs- 
wesens die großte Obsorge von Staatswegen zugewendet wird. 
Die besprochenen Ausstellungen bestätigen im vollsten Maße die Anschauungen 
der Central-Commission und scheint deren Tendenz den allgemeinen Fortbildungsschulen 
allmälig einen bestimmten fachlichen Charakter zu verleihen, vollkommen berechtigt an- 
gesichts des Bildes, welches die Ausstellungeniweier fachlicher Fortbildungsschulen 
darboten. , 
l An der fachlichen Fortbildungsschule der Wiener Drechslergenossenschaft, und an 
der für Gold-, Silben, Juwelenarbeiter und Graveure machte die Ausstellung einen ganz 
anderen Eindruck als an den allgemeinen Fortbildungsschulen. lst an der Ersteren noch 
ein engeres Zusammenwirken der einzelnen Lehrkräfte wünschenstverth, so dass ein ein- 
heitlicherer Charakter des Unterrichtes erzielt wurde, so ist an der zweiten auch dieser 
') Siehe Centralblatt f. d. gewerbliche Unterrichtswesen in Oesterreich. l. p. x68, 
2.48, 552 0'.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.