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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XVIII (1883 / 215)

der Nothwendigkeit der Einführung des italienischen Renaissance- 
styles in den Profanbau. Einige seiner Ideen über die Belebung 
der Kunst im Handwerke hat er in einem Vortrage über i-Styl 
und Moden niedergelegt, den er im Jahre i882 im Gewerbeverein 
gehalten hat. Auch er plaidirt, wie alle edleren Geister jetzt, für 
die Belebung der künstlerischen Werkstatt, bekämpft den Ein- 
fluss der Mode auf die Baukunst und das Kunstgewerbe und die 
völlige Abhängigkeit des Gewerbes von der hohen Kunst, ins- 
besondere von der Architektur; denn auch das Handwerk sollte 
sich an die Vorbilder der großen Zeit erinnern und selbständig, 
zielbewusst schaffen. Das Ueberwuchern der Zinshauskasernen 
bekämpfte er schon früh in seiner Brochüre über das bürgerliche 
Wohnhaus und das Zinshaus, welche im Jahre i876 erschienen 
ist. Das Coltage-System, das er in Wien in großem Styl und in 
künstlerischem Geiste belebt hat, entspringt seinen menschen- 
freundlichen Gesinnungen, die Architektur den leiblichen und 
sanitären Bedürfnissen seiner Mitbürger dienstbar zu machen. 
Er hatte eine ungewöhnliche Begabung zu schriftstellerischer 
Darstellung; seine praktische Thiitigkeit hinderte ihn aber, lite- 
rarischen Arbeiten Zeit zu schenken. Er gab sich der Hoffnung 
hin, dass er, wenn er älter würde, auch die Muße linden werde, ' 
seine Vorträge über Architektur ausarbeiten zu können. Ich 
sprach mit ihm darüber erst vor kurzer Zeit, wobei ich meinem 
Bedauern Ausdruck gab, dass sein Vortrag über die perspecti- 
vische Grundlage der vSchule von Athene von Rafael, welchen 
er vor einigen Jahren im Oesterr. Museum gehalten hatte, nicht 
vollständig ausgearbeitet sei. Manchem unserer deutschen Kunst- 
historiker würde ein Irrthum erspart geblieben sein, bezüglich 
des Einflusses Bramante's auf die Composition der "Schule von 
Athene, wenn ihnen dieser Vortrag druckfähig vorgelegen wäre. 
Ferstel war ein glänzender Lehrer, ein Freund der akademischen 
Jugend, welcher er auch in schweren Tagen ein treuer Berather war. 
Ueber seine vornehme und freisinnige Welt- und Lebens- 
anschauung, seinen österreichischen Patriotismus und seine kern- 
deutsche Gesinnung ließ er Niemanden in Zweifel. An Kaiser und 
Oesterreich hielt er mit Begeisterung fest; er erzählte mir vor we- 
nigen Wochen mit innerer Genugthuung, dass der Kaiser, welcher 
zum ersten Male die Cottage-Anlage bei Währing gelegentlich 
seines Besuches der neuen Sternwarte gesehen hatte, zu ihm die 
Worte sprach: wIch freue mich, diese Cottage-Anlage zu sehen; 
ich dachte nicht, dass sie so schön und künstlerisch gelungen ist".
	        
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