finden. Der Verfasser dieser Notiz hat in den ruhigsten Tagen der den Fremden gün-
stigen Regierung des vertriebenen Khedive lsmail dem verstorbenen Dr. Sachs-Bey, einem
ausgezeichneten deutschen Ärzte in Kairo, beigestanden, aus einem umgegrabenen Fried-
hofe arabische Schädel für anthropologische Zwecke zusammenzubringen, und weiß, mit
wie großer Vorsicht das Unternehmen damals ins Werk gesetzt werden musste; Herr
Graf aber hatte einen Friedhof in der Zeit der Gahrung des fanatisirten Volkes zu durch-
wühlen, und kann sich glücklich preisen, dass er nicht nur unbeschädigt, sondern auch
mit ausgezeichneten Erfolgen aus diesem Wagestuck hervorgegangen ist. Die Kleider,
welche er den griechischen und römischen Leichen abgezogen hat. sind, nachdem man
sie gesäubert und dem Geruchssinn nahbar gemacht hat, in Wien ausgestellt worden
und dort heute noch zu sehen. Professor Karabacek hat sie geordnet und in zwei kleinen,
aber weithvollen Schriften behandelt. Wir verweisen den Leser auf dieselben '). Er wird
erstaunt sein, in dem Katalog viele Stolfe erwähnt zu finden, welche nach Methoden
gewoben sind, die man bis jetzt für Erwerbungen der neueren Zeit gehalten hat. Zu
diesen rechnen wir den rauhen, nach Art der Sammete gewobenen Baumwollenstolf,
welcher dem zu Badetnchern verwendeten englischen Rubber-Stoff völlig gleicht. Ein
hoehgestellter römischer Würdenträger aus dem lV. Jahrhundert v. Chr. hat die aus diesem
Zeug bestehende Tunica getragen. Man wird ferner unter den GraFschen Funden ver-
schiedenartigen Stoffen mit broschirten und languettirten Mustern, Fransen und Borten
jeder Art begegnen. Zu den letzteren gehören einige in echter und rechter Gobelinweberei,
und aus ihnen geht mit Sicherheit hervor, dass die tapisserie de haute lisse, wie die
Gobelinarbeit in Frankreich genannt wird, keineswegs, wie man bisher geglaubt hat,
eine französische Erfindung ist. Sie stammt vielmehr aus dem Orient, und ist wahr-
scheinlich zur Zeit des zweiten Kreuzzuges (Xll. Jahrh.) nach Europa gebracht worden.
Professor Karabacek hat schon in einem früheren Werke") dargelegt, dass die Kunst der
Cvobelinweberei aus Süd-Persien stammt; jetzt sind ihm unter den in Wien ausgestellten
Objecten Proben zugekommen, welche die Richtigkeit seiner Annahme in merkwürdiger
Weise bestätigen. Eine derselben scheint unbedingt im Vll. Jahrhundert n. Chr. hergestellt
worden zu sein.
Ob unsere Textilindustrie im Stande ist, den feinen Byssusfior, welcher von den
ägyptischen Frauen getragen wurde, um die Formen des Körpers zwar zu decken, aber
nicht zu verhüllen, ebenso zart herzustellen, wie dies im alten Orient geschehen ist, mag
dahingestellt bleiben! Jedenfalls sind die von Graf zu Tage geforderten Stücke einer
Frauen-Tunica von solch' gestreiftem Byssus von staunenerregender Feinheit. Dieses
seltene Gewand, an dem man noch einige Fäden des schwarzen Haares seiner Trägerin
gefunden hat, war mit überaus zarten Gobelinborten geschmückt, von denen Karabacek
sagt: i-Von diesen Verzierungen sind noch sichtbar verschieden aufgenahte Bortenbesatze
und die von den Achseln über Brust und Rücken gehenden, in zierlichen Palmetten en-
digenden Spangen dunkelrother Grundirung; alles auf einer Kette mehrdrähtiger Byssus-
faden in einer Weise durchgeführt, dass diese Gobelinstreifen, was ihre Ausführung be-
trifft, zu den delicatesten Schöpfungen der Nadelmalerei gezahlt werden können. Sie
bieten als Ornamente reizend stylisirte PHanzenmotive, Rosetten und Vögelchen . . . . ..a
Eines der vier, nach spät-römischer Sitte den unteren Theil der Tunica (je zwei auf der
Vorder- und Rückseite) schmückenden. aufgenahten kleinen Rundmedaillons (orbiculus)
hat sich erhalten. Dieses Meisterstück zartester Gobelin-Ornamentik zeigt in der Mitte
ein Blumenstraußchen. _
Aber diese Mittheilung will nicht beschreiben, sondern nur Freunde des Kunst-
gewerbes der Alten anregen, Kenntniss von den Grafschen Funden zu nehmen. Wem
es nicht vergönnt ist, sie in Wien aufzusuchen, der wird doch in den angeführten Kara-
bacelüschen Schriften eine vortreflliche und auf tiefer Kenntniss der textilen Künste des
alten Orients beruhende Behandlung derselben finden. Der Schreiber dieser Zeilen will
nicht verhehler, dass diese unscheinbaren Zeugstücke und Fetzen tief und eigen auf ihn
gewirkt haben. Es ist als sei es gestattet, die Alten selbst zu berühren, wenn man die
Kleider anfasst, welche sie in Lust und Leid getragen und endlich mit sich ins Grab
genommen haben. -Nichts Neues unter der Sonnen, predigen auch diese Stoffe! Wie hat
sich die vornehme Dame mit ausgesuchter Kunst den Stoff und die Verzierung ihres
Festlxleides ausgewählt, wie stolz der Würdenträger das seinige mit dem Clavis ge-
schmückt! Wie sorgsam verstand die Mutter schon damals das Kleid des Kindes zu
stoplen und es für künftiges Wachsthum aufzunahen! In dem von Graf erößheten Friedhof
haben auffallend viele Kleine begraben gelegen, und mit ihnen die Puppen, an denen sie
') i. Die Theodor Graf'schen Funde in Aegypten. Der Papyrusfund von El Faijum.
Die textilen Gräberfunde. Wien, Gerold ä Comp r883.- z. Katalog der Theodor Graf-
schen Funde in Aegypten. Wien, Verlag des k. k. Oesterr. Museums, 1883.
") vDie persische Nadelmalereim