Durchrden Bau ist ein bedeutsamer Schritt in der Stylentwicklung
der gothischen Bauweise vor sich gegangen. Er hat unter den Händen
Schmidfs einen modernen (zivilisatorischen Ausdruck erhalten und das
Alterthümliche und Imitatorische verloren, das vielen gothischen Archi-
tekturen diesseits und jenseits des Rheines und des_Canales anhaftet.
Man kann jetzt von einer gothischen Renaissance mit demselben Rechte
sprechen, wie von einer hellenischen.
Das schöpferische Talent Schmidfs kommt durch diese Entwick-
lungsphase des gothischen Styles zu glänzendem Ausdrucke.
Ohne Frage ist Friedrich Schmidt gegenwärtig der erste gothische
Baukünstler der ganzen christlichen und germanischen Welt.
Wie sinken dieser Leistung gegenüber die kleinlichen Nergeleien,
denen Schmidt in den letzten Jahren ausgesetzt war, in ihr Nichts zu-
sammen!
Der Gemeinderath hat sich während der ganzen Action der Fest-
woche als Träger des dynastischen und des Reichsgedankens würdevoll
benommen, und bei allen Enunciationen die untrennbare Verbindung der
Reichshaupt- und Residenzstadt Wien mit dem Staatsgedanken der öster-
reichischen Monarchie und ihre Verbindung rnit der Dynastie betont.
Als Träger des Bürgerthumes hat der Gemeinderath sehr Recht gethan,
bei dem statuarischen und malerischen Schmucke der historischen Per-
sönlichkeiten, welche zur Hebung des Bürgerstandes und Wiens mit-
gewirkt haben, zu gedenken. An Stelle der Allegorien sieht man Persön-
lichkeiten, welche in der Geschichte des Reiches und der Stadt Wien einen
hervorragenden Rang einnehmen. Es gehört zu den Eigenthümlichkeiten
der Gothik, der Gegenwart ihr volles Recht einzuräumen. Die erste Stelle
wurde den Monarchen Kaiser Franz Joseph, Rudolf von Habsburg und
Rudolf dem Stifter zugewiesen. Die Ausführung dieser drei monumen-
talen Reiterstatuen wurde den Bildhauern Carl Kundmann, C. Zumbusch
und Josef Gasser übertragen. In dem malerischen Theile dürfte die erste
Stelle die Zeit Maria Theresia's, Kaiser Josefs lI., Rudolf des Stifters und
die Türkenzeit einnehmen. '
An den Act der Schlusssteinlegung, den 12. September 1883, knüpfen
sich die-Erinnerungen an große, welthistorische Ereignisse, der Sieg des
Christenthums über den lslam. Alles, was sich im 17. Jahrhunderte
gegen die Dynastie, das Reich und die Kirche verbündet hatte, hat seine
Action gegen Wien, das Bollwerk der Christenheit, gewendet, dessen
heldenmüthige Bürgerschaft Wien und das Reich vor dem Untergange
bewahrt hat. Hätten Starhemberg und die Bürger nicht ausgeharrt, säße
auf dem deutschen Kaiserthrone ein Nachfolger Ludwigs XIV. oder ein
Gesinnungsgenosse Emerich Tökölys Glücklicher Weise kamen die Ver-
bündeten Kaiser Leopolds l., König Sobieski und die Reichstruppen, zur
rechten Zeit. Der Gemeinderath hat folgerichtig mit der Schlusssteinlegung
die Eröffnung einer historischen Ausstellung verbunden, in welcher alle