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fullscreen: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 70)

Originalgröße kopieren. Rauschcr linanzierte auch die hiefür not- 
wendigen Studienreisen der beauftragten Künstler und erhoffte sich 
von diesem Unternehmen eine Hebung der Vaterländischen Kunst. 
Die Verwirklichung der Museumspläne konnte der Kardinal nicht 
mehr erleben, er starb 1875. Keiner von den vier Amtsnachfolgern 
zeigte für jenes Anliegen Verständnis oder Interesse. Erst Kardinal 
Gastav Pzfji (1913-1932) griff den Museumsplan wieder energisch 
auf, wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck eines verhängnisvollen 
Substanzschwundes von kostbarem kirchlichem Kunstgut. 
Welche Faktoren begünstigten nunmehr die Museumsgründung? 
Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts hatte sich der junge Wissens- 
zweig der Kurlrlgeubirble auf Wiener Boden zu hohem Ansehen ent- 
wickelt. Die fortschreitende Forschung der „Wiener Schule" bot die 
wissenschaftliche Voraussetzung für neue Erkenntnisse auf dem (iebiet 
der Kunstgeschichte, was zur Folge hatte, daß die Betrachtung alter 
Kunstwerke neue Erlehninuerle schuf. Der Ertrag dieser Forschungen 
wurde durch häufige Aurrtallungen sowie in einer immer populärer 
werdenden Kunstliteratur einem breiten Publikum zugänglich ge- 
macht. 
Da Wien noch immer kein Diözcsanmuseum hatte, war es verständlich, 
daß dieser Mangel zuerst von den kunsthistorischen Fachkreisen 
bemerkt wurde. Dies um so mehr, als in verschiedenen deutschen 
Diözesen am Rhein und in Bayern großartige Sammlungen empor- 
blühten und Wien sogar von österreichischen Ländern, wie z. B. Süd- 
tirol und Kärnten, in den Schatten gestellt wurde. 
Den entscheidenden Impuls zur Museumsgründung erhielt der Wiener 
Kardinal vom damaligen Klagenfurter Fürstbischof Adam Hzfler, dem 
er auch in persönlicher Freundschaft besonders verbunden war. ln 
Kärnten war gegen Ende der zwanziger Jahre ein ganzes Team von 
jungen Wiener Kunsthistorikern (Demus, Novotny, Macku, Spitz- 
müller u. a.) unter Leitung des Kärntners Dr. Karl Ginbarf eifrig am 
Wferke, die Kunstdenkmäler des Landes systematisch aufzuzeichnen. 
Bei dieser Aktion wurden viele verborgene und bis dahin noch unbe- 
kannte Kunstschätze entdeckt. Weithin wurde man jetzt erst auf die 
Fülle und die hohe Qualität des kärntnerischen Kunstbesitzes auf- 
merksam, was fruchtbare Besinnungen auslöste. Für das Klagenfurter 
Diözesanmuseum stellte der Bischof einen Teil seines Palais zur Ver- 
fügung. 
Die zzmdrrnv Kumfenlwirlelung war indirekt ein treibender Faktor für 
die dringende Museumsgründung in XWien. Je radikaler die moderne 
Kunst sich durchzusetzen begann, um so dringlicher wurde eine 
schützenswerte Sichtung und Pflege des überkommenen alten Kunst- 
gutes. 
Die Zeit des ersten Weltkrieges bedeutete für die religiöse Kunst die 
große Wende. Der Einbruch neuer Stilformen erfolgte radikal. Sogar 
im gewohnt konservativen Raum der Kirche konnten sich die Epigonen 
der Romantik und religiösen Ästhetiker nicht mehr halten. Weil die 
allgemeine Erfahrung lehrt, daß in Zeiten des Stilbruches eine gewisse 
Beziehungslosigkeit zur Vergangenheit vorherrschend ist, wurde der 
Denkmalrrbufg dort bedeutungsvoll, wo unter gleichen Voraussetzungen 
frühere Generationen das gute Alte bedenkenlos hätten verfallen 
lassen oder es kurzerhand zur Seite geschafft haben. 
Österreich konstituierte 1923 ein eigenes Denkmalschutzgesetz. An 
diesem ist die katholische Kirche in Österreich deshalb interessiert, 
weil an der Erhaltung des in ihrem Eigentum beHndlichen Kunst- 
bcsitzes ein b entlirhe: Irzlßrzrre besteht. Aus diesem Interesse der Öffent- 
lichkeit resultiert für die kirchlichen Verwaltungsorgane die Auflage, 
den vielgestaltigen Kunstbesitz auch außerhalb des kultischen Bereiches 
nach streng wissenschaftlichen Konservierungsmethoden zu erhalten. 
Ein Kunstgegenstand des religiösen Bereiches behält auch dann noch 
seinen Wert, wenngleich er nicht mehr in kultischer Verwendung steht. 
Unter solchen Voraussetzungen wurde immer deutlicher, daß nur ein 
kircheneigenes Museum der entsprechende Ort sei, die Fragmente zu 
sammeln, wenn andernfalls man weiterhin einem fortschreitenden 
Verfall der Objekte oder einem hemmungslosen Abverkauf an den 
Kunsthandel nicht tatenlos zusehen wollte. Letztere Gefahr ist nämlich 
überall clort besonders groß, wo der Geldnot auf der einen Seite eine 
begeisterte Kauffreudigkeit auf der anderen gegenübersteht. 
Der Tod zwang Kardinal Pifil, das Museumsprojekt als dringendes 
Vermächtnis seinem Nachfolger zu hinterlassen. Darum hatte Kardinal- 
Erzbischof Dr. Tlxeadar Innitaer sofort nach seinem Amtsantritt im 
Herbst 1932 mit der ltluseumsgrünclung den ersten Schritt in die 
Öffentlichkeit getan. Am Gedächtnistag des Landespatrons, des 
hl. Leopold, unterzeichnete er die Gründungsurkunde: 
„Das Erzbistum erfüllt mit der Errichtung des Diözesanmuscums ein 
dringende: Budfirfrli: kirrlllirlver Denkmalpflege. Nach bewährten Vor- 
bildern und unter besonderer Berücksichtigung der Kunst- und 
Kulturgeschichte des Stephansdomes und unserer Erzdiözese soll nicht 
nur eine Sammlung kirchlicher Kunstwerke aus mehr als einem halben 
Jahrtausend, sondern auch ein Institut geschaffen werden, das dem 
kirchenkunstgeschichtlichen Unterricht vrertvolles Anschauungsma- 
terial aus der Vergangenheit und Cqgmußart bietet. Was seit Jahrhunder- 
ten im Gottesdienste der Kirche und im religiösen Leben unseres 
christlichen Volkes verwendet wurde . . . soll im Dom- und Diözesan- 
museum erhalten und zur Schau gestellt werden." 
Diese Anordnungen gelten selbstverständlich mit der Einschränkung, 
daß nur solche Kunstgegenstände in Frage kommen, die nicht mehr 
in kultischer Verwendung stehen, und solche, deren Aufbewahrung 
an Ort und Stelle gefährdet ist oder dort nicht entsprechend zur Geltung 
kommen. 
Als endlich das Museum zu Pfingsten 1933 eröffnet wurde, war das 
allgemeine lnteresse so groß, daß aus Privatbesitz viele Leihgaben 
gemacht wurden und bekannte Wiener Kunstsammler es sich zur 
Ehre anrechneten, dem Museum Legate zu widmen. Kardinal Innitzer 
stellte in großherziger Weise die leerstehenden Repräsentationsräume 
im nördlichen Haupttrakt des erzbischöflichen Palais zur Verfügung. 
Die Hof haltung der ehemaligen Fürsterzbischöfe war nach 1918 ohne- 
hin auf ein Minimum beschränkt. 
In den wenigen Jahren des Bestehens konnte das Museum bis 1938, 
nicht zuletzt wegen seines qualitätvollen Kunstbestandes, unter dem 
sich manche Unikate befinden, weit über die engere Heimat hinaus 
einen beachtlichen Ruf gewinnen. 
Trotz alledem haftet diesem Institut der verhängnisvolle Charakter 
eines Provisoriums an! 

	        
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