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internationale Sammler-Zeitung
Aus dem Osten Deutschlands und den angrenzenden
Slawenländern, in denen jetzt der Krieg tobt, sei noch
das Leinwand- und Lcdergeld erwähnt. Der weitge
reiste jüdische Maure Ibrahim Ibn Jakub, der 965 am
Hofe Kaiser Ottos weilte und bis Böhmen und in die
Ostseeländer vordrang, erzählt, in Böhmen habe er
ganze Kisten voll kleiner, dünn gewobener „Tüchelchen"
gesehen, die eigentlich „gär nichts taugten, die
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aber von allen als Geld genommen wurden“;
weiter in Rußland gab es richtiges Pelzgeld „Kuni“,
das dort den Umlauf beherrschte und dessen
Namen von dem des Schwarzmarders, Kuna,
herrührt.
Eigentliches Lerlergeld hat es sonst nur als ' Not
münze gegeben, zuletzt im Unabhängigkeitskriege der
Niederländer.
Skizzen und Studien.
Von Professor Otto Schulze (Darmstadt)*.
Es wird wieder viel geklagt über die Überschwemmung des
Marktes mit Kunstwerken und über die geringen Absatzmög
lichkeiten, Kaufunlust der Vornehmen und Reichen und
die daraus entstehende Not der Künstler. Leider liegt viel
Wahrheit in diesen Klagen, sie haben eine innere Berechtigung.
An wirklichen Kunstwerken gelangt verhältnismäßig keine
größere Menge auf den Markt und in die größeren Ausstellun
gen als früher. Allerdings sind viel mehr Ausstellungsmöglich
keiten vorhanden als früher, was mit der Neugründung vieler
Künstlergruppen zusammenhängt. Ausgereifte, vollendete
Werke sieht man trotzdem gegen früher nicht zahlreicher,
weil die Begriffe über die eigentlichen Kennzeichen eines
Kunstwerkes sich wesentlich verschoben haben. Man hat sich
lierbeigelassen, den werdenden Künstler mit weit größerem
Interesse zu umgeben als den gereiften Schöpfer. Der Kampf
um die Meinungen und Richtungen, um die Strömungen in
den verschiedenen Lagern gehört zu den Tagesförderungen.
Dem tragen die werdenden Kräfte vollauf Rechnung; was
unter ihren Händen entsteht, wird kritikfähig; die Skizze,
das Angedeutete, die Studie, der Vorentwurf, die Idee
und der Anlauf gelten schon als Werke, als Taten, als
Urteils werte.
Die Skizze, die Studie jeglicher Art und Größe und jeg
lichen Inhalts sind ausstellungsfähig und damit auch für
Kunstfreund und — Laien „wandfähig“ geworden. Früher
genossen solche Ersterzeugnisse zu einem größeren Werke
nicht diesen Vorzug; sie blieben Ateliergut, Mappenschatz,
und nur Eingeweihte und Freunde der Künstler sahen sie in
glücklichen Stunden. Das Skizzen- und Studienmaterial
großer Künstler blieb ein kostbares Vermächtnis an die Nach
welt. Damit soll nicht gesagt sein, daß der Skizze das Aus
stellungsrecht nicht zustande; im Gegenteil, sie sind meist
geradezu notwendig, um einen Künstler beurteilen zu können.
Nur soll die Skizze nicht an die Stelle des fertigen Werkes
treten, sie soll nicht, wie das neuerdings geschieht, über das
*) Aus der Zeitschrift „Kunst und Dekoration“ (Verlag
Alexander Koch, Darmstadt).
Werk selbst gesetzt werden; ihr dürfen nicht Werte zugerech
net werden, die sie nicht besitzt. Das vor allem den Künstlern
selbst nicht gegenüber, die schon in der Skizze das Höchste
ihrer Kunst sehen und bei der sich immer mehr erhöhenden
Marktgängigkeit der Skizze überhaupt nicht mehr darüber
hinauskommen. Wir dürfen nicht dazu gelangen, den Rahmen
als den Maßstab einer künstlerischen Sache zu werten.
An sich versteht ein Laie den eigentlich künstlerischen
Wert einer Skizze und Studie kaum zu würdigen; er sieht in
ihnen nicht die künstlerische Ursprünglichkeit, die eigentliche
Handschrift, ja das Glaubensbekenntnis ihrer Urheber. Alles
das sieht und fühlt mit allen Feinheiten und Reizen erst der
Kenner; ihm sind Skizzen und Studien notwendige Belege und
Einführungen in das Lebenswerk des Künstlers, und oft, das
ist bekannt, bieten sie den Kenner und Forscher mehr als das
fertige Werk. Das Überhandnehmen des Skizzenverkaufes
schädigt einmal den Absatz von Kunstwerken selbst, zum an
deren die Enwicklung: des Kunststudiums, denn so mancher
der Jüngeren kommt schon gar nicht mehr über solche Arbeits
weise hinaus; sie sehen darin schon die Erfüllung ihres Künstler
tums.
Ohne irgendwie den wahren Wert und die künstlerische
Bedeutung solcher Arbeiten herabzusetzen, könnte man doch
unter Erwägung der oben geäußerten Bedenken dazu über
gehen, die Ausstellungs- und Wandfähigkeit von Skizzen und
Studien künftig einzuschränken. Ich erachte der Kunst damit
keinen Dienst erwiesen, auch dem Künstler gegenüber nicht,
Skizzen und Studien deshalb zahlreicher zuzulassen, um eine
größere Verkaufsmöglichkeit erhoffen zu können, weil die
Verkaufsmöglichkeit ausgeführter Werke dadurch ganz er
heblich beeinträchtigt wird. Es verschärft sich damit außerdem
die Gefahr, daß die künstlerische Erziehung unseres Volkes
unfertigen Arbeiten genannter Art gegenüber eine noch un
heilvollere Richtung annehmen würde als sie bisher schon
angenommen hat. Mehr als bisher müssen wir Wege und Ziele
erkennen lernen an reifen Taten und Werken. Ahnungen und
Hoffnungen allein genügen auf die Dauer nicht:.
Russischer Vandalismus.
In den „Mitteilungen der k. k. Zentralkomm]ssion
für Denkmalpflege“ in Wien werden nun die ersten,
amtlich beglaubigten Berichte über die Kriegsver-
wüstungen der galizischcn Kunstdenkmäler bekannt
gegeben. Wie erinnerlich, sind von den 82 Verwaltungs
bezirken Galiziens nur einige wenige von den Kriegs
greueln verschont geblieben, und ein wahres Glück ist
es, daß Krakau, der reichste Kunstort des ganzen Lan
des, so sehr ihm auch zeitweilig die Gefahr der Ein
schließung drohte, niemals von der eigentlichen Kampf
zone berührt worden ist. Auch die übrigen westgalizi-
schen Städte, in denen die Kunst eine Heimstätte fand,
sind zum größten Teil unbelästigt geblieben. Uber den
Umfang des durch Beschießung, Sprengung, Einäsche
rung und Verschleppung verloren Gegangenen lassen
sich natürlich noch keine statistisch genauen Angaben
machen. Einige für die Entwicklung der galizischen
Architektur besonders charakteristische Gebäude, die