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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 222)

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Vignola, Palladio und Scamozzi. Der Umfang, die leitenden Grundsätze und die 
ersten Auflagen dieser Werke wurden besprochen und gezeigt, wie sie alle streng an ihr 
Vorbild Vitruv sich zu halten bestrebt waren und auch nur wenig über den Rahmen des 
dort schon Vorgefundenen hinauskamen. Den Italienern wurden dann die alteren deut- 
schen Autoren des 16. und 17. Jahrhunderts gegenüber gestellt und im Detail nach- 
gewiesen, dass diese Arbeiten keine bloßen Uebertragungen sind, sondern Bearbeitungen 
des gleichen Thema's in originaler Weise u. zw. ganz im Sinne der gleichzeitigen Ar- 
chitektur der deutschen Renaissance. Als Hauptmeister wurde Hans Blum vorgeführt 
und gezeigt, wie alle Abweichungen in der Profilirung, der Proportion etc. im Sinne des 
Holzbaues ausschlagen, namlich im Sinne der Zimmerei und Tischlerei, während die 
Italiener reine Steinbauformen brachten. Zwischen diesen Extremen liegen die Arbeiten 
der Niederländer mit mehr deutschem Charakter und der Spanier und Franzosen mit 
mehr italienischem Charakter. Bei den Letzteren sind d'Aviler und Blondel hervor- 
ragend und tritt gegen Ende dieser ersten Periode die Vergleichung der verschiedenen 
Systeme untereinander in den Vordergrund. Eine neue Bahn wird eröffnet durch die 
immer mehr wachsende Bedeutung der Monumentalkenntniss und der Aufnahmen von 
Werken der antiken Architektur. Von starkstem Einfluss waren die Aufnahmen von 
Stu art und Revett, denen nicht allein eine griechische Richtung im Bauwesen selbst, 
sondern auch in der Theorie folgte, namlich die Ordnungen der Griechen von Hess und 
die Ordnungen der Griechen und Römer von Nortnand, später umgearbeitet von 
Manch u. dgl. m. lm Gefolge davon entstand auch ein ungesunder Eklekticismus, dem 
der Vortragende durch Charakterisirung des durchgehenden strengen Unterschiedes zwi- 
schen griechischer und italischer Profilirung seinen Misserfolg nachwies. 
Die Unmöglichkeit, das ganze ungeheure Materiale der in zahllosen Publicationen 
zustromenden Darstellungen alter Architekturen theoretisch so rasch zu bewältigen, 
brachte uns einerseits die Encyklopadien oder vergleichenden Architekturlebren, d. i. 
Sammelwerke gleichartiger Bautheile und andererseits jene tiefgehenden theoretischen 
Monographien, welche einzelne Grundsätze der Formgebung durch einen Theil oder die 
ganze Architekturgeschichte hindurch verfolgen. Hieher gehören: Die Tektonik der Hel- 
lenen von Bottich er, in welchem Werke das Gesetz der Schwere in seinen form- 
bildenden Consequenzen behandelt wird; ferner der Styl von G. Semper, welcher die 
Formbildung, insoweit sie durch Material und die Bearbeitung desselben bedingt ist, aus- 
führt; endlich Wurde auch, durch Thiersch, ein kleiner Versuch gemacht, die Gesetze 
der Physiologie des Sehens auf die gleichen Vorkommnisse bei architektonischen Formen 
zu übertragen, und anderwarts verschiedene Gesetze der Linienführung, also Regeln 
reiner Proportion oder solche, die nur auf Harmonie oder Contrast beruhen, erörtert. 
Zu einer Zusammenfassung aller dieser Ansatze einer durchgreifenden und umfassenden 
theoretischen Formenlehre ist es noch nicht gekommen. Die wirkliche Kunst unserer 
Zeit ist aber ihrem gemeinsamen Zuge nach selbst ein im großen Style angelegtes Studium 
der Style aller Zeiten und Volker und sind die Bauweisen der Griechen und Römer, des 
Mittelalters und der Renaissance bis auf unsere Zeit gleichsam wie eine große Recapitu- 
lation wiederbelebt worden in nahezu richtiger chronologischer Aufeinanderfolge. Noch 
wenige Schritte, und wir stehen vor uns selbst. Dass dann diese große Arbeit nicht 
wieder von vorne begonnen werden kann und so immer fort, ist klar; vielmehr werden 
auch die Erfolge dieser großen Arbeit summirt und abgeschätzt werden müssen und 
dabei wird auch der Theorie neben der Praxis der ihr entsprechende Platz nicht fehlen. 
z 
Am 3x. Januar hielt Dr. M. Much einen Vortrag über nDie Anfange der Me- 
tallurgie und im Besonderen der Bronzetechnik im Mittelalteru. 
Die in den letzten fünfzehn Jahren durchgeführten urgeschichtlichen Untersuchungen 
haben zu dem Ergebnisse geführt, dass die Kunst und die Cultur überhaupt sich aus 
geringen Keimen entwickelt habe, u. zw. nicht nur im mittleren und nördlichen Europa, 
sondern ebenso auch in ltalien und Griechenland, wo man sich einst steinerner und 
knöcherner Gerathe ebenso bediente, wie in den alteren Pfahlbauten der Schweiz und in 
den gleichzeitigen Ansiedlungen der anderen Länder Europe's. Es gewahrt das höchste 
Interesse, diese Keime der menschlichen Cultur aufzusuchen; im Anschlüsse an die 
Bronze-Ausstellung ist es deshalb vielleicht auch gerechtfertigt, die Anfange der Bronze- 
technik und der Metallurgie überhaupt zu besprechen. Es wäre vergebens, in der ersten 
Zeit der Besiedlung Europas durch die Menschen eine Spur des Gebrauches der Metalle 
zu suchen, es waren wilde Mammuth- und Renthieriager. Aber auch in der folgenden 
Periode, in welcher wir bereits die Grundlagen unserer heutigen Cultur, nämlich Ackerbau 
und Viehzucht in ziemlicher Entwicklung finden, glaubte man bisher den ausschließlichen 
Gebrauch steinerner und knöcherner Werkzeuge annehmen zu müssen. Neuere For- 
schungen machen es aber zur Gewissheit, dass der Mensch bereits in dieser Periode in 
die Kenntniss der Metalle gelangte. Man findet nämlich in schweizerischen, oberöster-
	        
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