vorragendsten Meistern früherer Zeit geschaffen wurden. Alle diese Meister
und Vorbilder waren aber in erster Linie eri-indende Künstler, selbst-
schöpferische Geister, die nicht blos verstanden, geistvoll das zu verviel-
fältigen, was Andere gedacht und erfunden hatten. Uns interessiren bei
ihren Arbeiten nicht blos die Kunstformen, sondern auch der Gedanken-
inhalt ihrer Leistungen. Die Kupferstiehe von M. Schongauer, Mantegna,
Albrecht Dürer, die Holzschnitte von Dürer und Holbein, die Radirungen
von Rembrandt und Van Dyck u. s. f. bleiben immer unsere Vorbilder
im Kunstleben und in den Kunstschulen. Und trotz der vielgepriesenen
Leistungsfähigkeit unserer Kunstdruckereien und Verlagsbuchhandlungen
hat unser Jahrhundert kein Werk aufzuweisen, welches sich mit der illu-
stritten Bibel von Koburger, dem Weißkunig oder einem ähnlichen Werke
messen könnte, - von jenen Illustrationswerken nicht zu sprechen, welche
von einem Dürer oder Holbein herrühren.
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Nach diesen allgemeinen Betrachtungen gehe ich auf die einzelnen
Zweige der zeichnenden Künste ein, um die hervorragendsten Erschei-
nungen auf jedem der einzelnen Gebiete kurz anzuführen mit Hinweis auf
jene Andeutungen, welche hervorragende Fachmänner in dem willustrirten
Kataloge der ersten internationalen Special-Ausstellung der graphischen
Künste in Wiem ") ausgesprochen haben. Es war ein sehr glücklicher Ge-
danke, solcheqMänner direct zu Wort kommen zu lassen. S0 hat für den
Holzschnitt Wilh. Hecht, für den Kupferstich Louis Jacoby, für die
Radirung William Unger, für die photo-mechanischen und chemischen
Druckverfahren W. Röse, Angerer 84 Göschl, und für die Photo-
graphie G. W. Seitz das Wort ergriffen. Hecht, Jacoby und Unger sind
Künstler; diejenigen, welche die Einleitungen zu den mechanischen Ver-
vielfältigungsverfahren geschrieben haben, sind Techniker, welche sich
als solche eine hervorragende Stellung erworben haben.
DerHolzschnitt hat auf dieser Ausstellung seine alte Bedeutung ge-
wonnen, nicht in den Augen speculirender Verleger, welche erfüllt von den
neuen mechanischen Reproductionsverfahren den alten Holzschnitt als eine ver-
altete Kunsttechnik gerne in die historische Rumpelkammer werfen wollten.
Auch dieJury hat kein volles Verständniss für die Bedeutung des Holzschnittes
gezeigt. Ein volles Verständniss bringt der Münchner Künstler W. Hecht
dem Holzschnitte entgegen. "Während der Kupferstichß, sagt Hecht, wschon
seit lange sich allenthalben staatlicher Unterstützung und akademischer
Pflege erfreut, ist für den Holzschnitt so gut wie nichts geschehen. Er
bleibt in Erziehung und Erwerb meist auf sich selbst angewiesen, und
') Derselbe erschien in Wien 1883 im Verlage der nGesellschnft für vervielfültigende
Kunsn, ist mit einer Vorrede und einer Einleitung von Prof. C. v. Lützow versehen,
und von der k. k. Hof- und Stuatsdruckerei vortrefflich gedruckt. Der Preis von 6 fl.
ist in Anbetracht der zahlreichen lllusuatiunen ein sehr niedriger.