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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 222)

Zur Frage der Hausindustrie 
mit besonderer Berücksichtigung österreichischer Verhältnisse. 
Von R. v. Eitelberger. 
(Schluss) 
Fasst man zuerst die Volksschule in's Auge, so muss in derselben 
zuerst die Handfertigkeit geübt werden und es muss in dem Unterrichts- 
plan für die Uebung dieser Handfertigkeit Raum gescheiten werden. Lehnt 
sich nun die Handfertigkeit, welche in der Schule vermittelt wird, an die 
Handlertigkeit an, welche in der Familie geübt wird und welche die 
Familie erwerbsfähig macht, so erscheint dann die Schule als Fortsetzerin 
dessen, was in der Familie als Hausindustrie betrieben wird. Allerdings 
muss der in der Schule geübte Handfertigkeitsunterricht didaktisch richtig 
behandelt werden und nicht als etwas, das man blos zum Zeitvertreib, 
zur geistigen Erholung ansieht, sondern es muss ein solcher Unterricht 
als Hauptgegenstand betrachtet werden, damit der Junge empfindet, dass 
er künftighin als Mitglied eines arbeitenden Volkes zu wirken hat und 
das Gefühl in sich aufnimmt, dass er seinerzeit mit der Hände Arbeit 
sich und die Seinigen wird ernähren müssen. Er wird am Schluss der 
Schule es dann als keine Demüthigung empfinden, wenn er aus der 
Schule in das Handwerk libertritt, und er wird auch nicht den unruhigen 
Drang haben, ein anderes Lebensziel anzustreben, als das ist, was durch 
die Arbeit und Thätigkeit gegeben ist. Wer, wie ich, seit 16 Jahren die 
Jugend beobachten konnte, welche aus den Schulen heraus, sei es Bürger- 
schule oder Realschule, in die Kunstgewerbeschule iibergetreten ist, der 
konnte erfahren, dass der grösste Theil der Jugend ein höheres Ziel 
anstrebt und entweder im Lehrerstande oder im Künstlerthum Stellung 
sucht. Nur wenige Schüler sind es immer, welche die Vervollkommnung 
des Gewerbes ihres Vaters zum Zielpunkte ihrer Bestrebungen machen. 
Die gegenwärtigen Zustände des Volksschulunterrichtes führen immer 
dahin, ein größeres Maß von Jungen in die Hauptstädte zu locken, und 
nur selten wird durch den Einfluss der Schule die Erwerbsthätigkeit des 
Ortes gefördert. ln welchem Jahre der Handfertigkeitsunterricht in der 
Volksschule beginnen soll, das hängt von den localen Bedürfnissen und 
localen Gewohnheiten ab, kann daher kein Gegenstand einer allgemein 
giltigen Maßregel sein. Was der Staat thun kann, ist, dass er sagt: ln 
der Volksschule muss ein Handfertigkeitsunterrichr gegeben werden. Wenn 
aber die Staatspädagogen sich der Holfnung hingeben, ohne diesen Hand- 
werksunterricht durchzukommen und die Jugend darauf hinzuweisen, erst 
nach vollendeter Schulpflicht, sei es nach dem 12. oder nach dem 14.. 
Lebensjahre, mit der Uebung von Handfertigkeiten zu beginnen, so geben 
sich diese Pädagogen einer groben Täuschung hin. 
Der Standpunkt des vorigen Jahrhunderts ist der dem Gewerbe 
günstigere, jener unserer Zeit der dem Gewerbe schädlichere. Allerdings
	        
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