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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 230)

Werkstätten gearbeitet, und jedes größere Geschäft ist bemüht, in eigenen Ateliers den 
Bedarf an Gold- und Juwelierarbeit herstellen zu lassen, während für Massenproduction 
nach wie vor Stuttgart und Pforzheim maßgebend sind. 
Die Ausführung und Sauberkeit der Arbeiten aus hiesigen Werkstätten lässt nichts 
zu wünschen übrig, auch finden dieselben Anerkennung im Absatz nach den Provinzen 
und nach den größeren Platzen Deutschlands. Nach dem Ausland ist der Export noch 
verhaltnissmaßig klein; um ihn zu vermehren, bedarf es immer neuer und wechselnder 
Muster. - Die Kettenfabrication, welche bis vor wenigen Jahren noch gar nicht hier 
Fuß gefasst hatte, nimmt fortwährend an Ausdehnung zu. Auch im vorigen Jahre haben 
sich wieder mehrere Fabrikanten dieser speciellen Branche hier ansässig gemacht. 
Der Handel und Verkehr in Edelsteinen war auch im vergangenen Jahre wieder 
ein wachsender. Je mehr die mit Perlen, Brillanten und Edelsteinen gefassten Gold- 
waaren in der Gunst des Publicums gewinnen, desto großer muss sich das Geschäft in 
diesen Artikeln entfalten. Wahrend Paris, der Hauptplatz im Edelsteinhandel, sich über 
eineunvcrhältnissmaßige Geschäftsstille im vergangenen Jahre zu beklagen hatte, war 
die Ausdehnung des Geschäftes bei uns in stetem Wachsen begriffen. Holländische 
Brillantschleifer, die sonst ihre Waaren nach Paris zu Markte brachten, haben unseren 
Platz mit Vorliebe aufgesucht und verhaltnissmaßigen Absatz in Juwelen gefunden. 
Die Preise für hochfeine, weiße und schon geschliEene Brillanten sind constant 
geblieben; für Mittelwaare und für kleine Brillanten tkleines Mele) im Weichen begriffen. 
Perlen, in Schnüren sowohl, als Rundperlen, welche zu Schmnckgegenstanden verfasst 
werden, sind gesuchte Artikel und wurden höher bezahlt. Die runden, weißen, fehler- 
losen, lebhaften Perlen sind selten und nur zu sehr hohen Preisen zu haben. Alle cou- 
leurten Edelsteine befinden sich in steigender Tendenz. Vor Allem sind es Rubine, 
welche in erster Qualität selten vorkommen und außerordentliche Preise erreichen, 
sodann Smaragde, welche einige Zeit vernachlässigt waren, jetzt aber wieder in Auf- 
nahme kommen und _von denen selbst mittlere Großen sehr hoch bezahlt werden, 
schließlich Saphire, welche zwar häufiger vorkommen, dennoch bei hochfeiner Qualität 
nur zu hohen Preisen abgelassen werden. 
Die Specialitat einer hiesigen Firma, wirnitirte Brillantenl, ist in gewohntem Um- 
fang fortgesetzt worden; Export ist vor wie nach lebhaft, doch Vorsicht sehr am Platzen 
Endlich sei noch der von sachverständiger Hand herrührende Rück- 
blickauf die "Fortschritte in künstlerisch ausgestatteten 
Wohnungs-Einrichtungena hier mitgetheilt: 
nDer hinter uns liegende Zeitabschnitt sah die Entstehung oder den Beginn einer 
Reihe von Decorationen, theils einzelner Raume, theils ganzer Wohnungen, welche von 
Berliner Architekten entworfen, im engen Anschluss an die Detailbehandlung der Scblüter- 
schen Säle im konigl. Schloss durchgeführt und von den besten Kräften im Fache der 
Decoration ausgeführt worden sind. Diese Stylrichtung, deren Anwendung durch die 
Tradition fast unabweislich geboten erscheint, wenn es sich um Innenräume handelte, 
welche von Mitgliedern unseres Herrscherhauses bewohnt werden sollen, ist im BegriE, 
auch die herrschende zu werden, wenn es gilt, für reiche Privatpersonen vornehme und 
prunkvoll wirkende Gesellschaftsraume zu schaffen, oder wenn den geselligen Zwecken 
einer geschlossenen Gesellschaft die Pracht mit behaglichem Comfort vereinigende Heim- 
stätte bereitet werden soll; sie gibt sogar die Motive her, zwar ein wenig ihres vornehmen 
Charakters entkleidet und mit einer begreiflichen Wendung in's Triviale, um dem Wiener 
Cafe einen an dieser Stelle noch nicht dageweaenen, decorativen Etfect zu verleihen. 
Da der natürliche Formenreichthum des Styls dazu zwingt, alle einzelnen Arbeiten 
bis in's Kleinste durchzubilden, nm ein zusammenstimmendes Ganze zu gestalten, nur 
echte Materialien verwendet werden können und jede Marlttwaare, wenn sie für die Aus- 
stattungsgegenstande selbst vorhanden wäre, von vornherein ausgeschlossen ist, so geben 
diese Einrichtungen fast allen Kunstgewerben reiche und dankenswerthe Gelegenheit, 
nach von tüchtigen Künstlern gegebenen Zeichnungen und Modellen Erfreuliches zu 
leisten und mancherlei Anregung, auch selbständig die Gebrauchsgegenstände dem Ganzen 
passend zu gestalten. 
Die reiche und graziöse, die ornamentalen mit Hgürlichen Formen vielfach mischende 
und durch einander schlingende Ausdrucksweise dieses Styls stellt hohe Anforderungen 
an die Geschicklichkeit und Uebung der Bildner und ist geeignet, eine ganze Generation 
sehr geübter Arbeiter heranzubilden. Die Hoffnung ist wohl berechtigt, dass es bald 
gelingen wird, aus den noch manchmal etwas unbeholfenen Anfangsarbeiten heraus- 
zukommen, welche wohl die oberflächlich erkennbaren Merkmale, nicht immer aber den 
Geist des Styls wiedergeben. Es macht sich manchmal ein Zuviel, eine Uebertreibung 
der EEecte und damit eine gewisse Manierirtheit geltend, welche unserer modernen, auf
	        
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