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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 230)

 
Als das Museum des 20. Jahrhunderts vor genau zwei Jahren eröffnet wurde. 
sprach ich meinen Entschluß aus. dem Aufbau der Plastiksammlung besonderes 
Augenmerk zu widmen. Heute ist es bereits möglich. eine Zwischenbilanz zu ziehen. 
Zunächst ein kurzer Rückblick. Zu Beginn meiner Ankaufstötigkeit im Winter 
1959160 konnte ich mich nur aufeinen schmalen Bestand stützen. Ein Übereinkommen 
mit der Direktion des Kunsthistorischen Museums ermöglichte es. sieben Plastiken 
als Dauerleihgaben in das Museum des 20. Jahrhunderts zu transferieren, welche 
seinerzeit für die ,.Moderne Galerie" erworben worden waren. Dieser Grundstock 
umfaßte Werke van Rosso. Rodin. Despiau. Minne. Lehmbruck. Barlach und 
Archipenko. Schon die Aufzählung der Namen lößt erkennen. daß diese Plastiken 
der ersten Geschichtsphase des Jahrhunderts entstammen und die Bewahrung der 
menschlichen Gestalt dokumentieren. Wesentlich bereichert wurde diese Gruppe 
durch zwei von Prof. Oberhamrner vorgenommene Erwerbungen: eine Büste 
von Giacometti und das ..Wunder" von Marini. Solcherart war der Anschluß an 
die Gegenwart bereits skizziert. 
Heute umfaßt die Plastiksammlung des Museums siebzig Werke. davon gehören 
neun dem erwähnten alten Bestand an. weitere neun sind Leihgaben. zumeist von 
österreichischen Künstlern (Bertoni. Hoflehner. Wotruba), zweiundfünfzig sind 
Neuerwerbungen der letzten fünf Jahre. Mit besonderer Genugtuung ist zu ver- 
zeichnen, daß das Jahr 1964 nicht nur die Möglichkeit zu einer weit ausgreifenden 
Ausstellung „Meisterwerke der Plastik" bot, sondern zu einer wesentlichen Ab- 
rundung der Bestände führte. Es konnten heuer nicht weniger als sechs Plastiken 
angekautt und in der Sommerausstellung zum ersten Male dem Wiener Publikum 
gezeigt werden. 
Die geschichtlich wohl interessanteste Arbeit ist der ..Kauernde" von Andre Derain 
aus der Sammlung Kahnweiler. Ich rechne diese Steinskulptur zu den lnkunabeln. 
in denen sich die plastische Formensprache unseres Jahrhunderts mit ungebrochener 
Radikalität darstellt. Der Körper ist in den Block geprefJt. die Arbeit des MeifJels 
verrät den Verzicht auf handwerkliche Verfeinerung und entspricht darin der 
lapidaren Malweise. die für die .,Fauve"-Bilder Derains charakteristisch ist. Was 
die Geschlossenheit anlangt. WEiSl sie jedoch bereits auf die nach-iauvistische 
Periode der kubistischen Verblockung hin. Dieser "Kauernde" spricht das Thema 
der Versteinerung mit einer Entschiedenheit aus. die ihresgleichen nicht hat: 
Brancusis ..Kuß" entstand ein Jahr später. vielleicht nicht ohne Auseinandersetzung 
mit Derain. Man kann auch vermuten. daß Matisse in seinen Plastiken den Dialog 
mit dem ..t(auernden" weiterführt, so wie dieser als eine bewußt barbarische 
Replik auf Maillols ..Nacht" von 1902 aufgefaßt werden kann. 
Auch Duchamp-Villons ..Professor Gosset" ist ein Werk von bahnbrechender 
Bedeutung. das sehr gut die kubistische Volumenanalyse ergänzt. die man im 
"Pferd" (erworben 1961) studieren kann. So klar und lapidar das Volumen dieses 
Kopfes ausgesprochen ist. vollzieht sich in ihm doch die Wendung in den Bezirk 
magischer Verfremdung. aus dem später der Surrealismus das Vokabular der 
verpuppten Form beziehen wird. Aus dem Arzt. der den verwundeten Künstler 
im Lazarett behandelte. wird die Maske eines Todesboten. 
WERNER HOFMANN 
Zu einigen Neuerwerbungen 
des Museums des 20. Jahrhunderts 
1 Eugäne Dodeigm 
Die Qual. 1963. sage 
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