MAK

Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe XIX (1884 / 230)

Entwurf Michelangelds zum Grabmal des Papstes Julius II. Alles hat 
damals in Rom gemeint, dass dieser Entwurf unausführbar sei. Und wie 
wäre es gewesen, wenn sich der Künstler durch den Tageslärm hätte ein- 
schüchtern lassen und sämmtliche Zeichnungen zu dem Grabmal in den 
Papierkorb geworfen hätte? Jetzt, wo wir nur kleine Bruchstücke dieses 
kostbaren Werkes vor uns haben, können wir nach dem Werth, welchen 
z. B. der Moses und der Sklave für uns besitzen, ermessen, welch" großes 
Kunstwerk das Ganze geworden wäre. Man muss den Entwurf eines 
großen Künstlers dahin prüfen, ob er richtig und schön ist, ob er aus- 
führbar sei, muss man der Gunst der Verhältnisse überlassen. Wenn wir 
ein Beispiel biefür aus dem modernen Bauleben anführen wollen, so wäre 
es der Entwurf für einen Palast der russischen Kaiserin in der Krim von 
Schinkel, der unausführbar, d. h. viel zu großartig befunden wurde. Vorn 
Standpunkte des russischen Hofes war diese Ansicht ganz gerechtfertigt, 
aber der Entwurf Schinkel's gilt heutigen Tages noch als Vorbild und 
wird von Allen, welche sich mit Architektur beschäftigen, als ein höchst 
geniales und geistvolles Werk betrachtet, von dem wir Alle lernen können. 
Als Maler hat Makart alle Zweige der Malerei umfasst; die Land- 
schaft, die Blumenmalerei sowie die figürliche Malerei erhielten durch 
seine Hand ein eigenthümliches Gepräge. In der figürlichen Malerei hat 
er eine Reihe höchst interessanter, farbenprächtiger Werke hinterlassen, 
die ihm ein bleibendes Andenken in der Geschichte der Kunst, speciell 
der deutschen, sichern. In der Behandlung des Nackten, namentlich bei 
Kindern und bei Frauen, streiften seine Figuren an das Lascive; es kam 
dies unbewusst in seine Werke hinein, nicht als ob er die Lascivität 
oder die Frivolität angestrebt hätte. Es ist dies begreiflich bei einem 
Künstler, welcher der Frauenschönheit huldigte und der bemüht war, 
die Schönheit des menschlichen Körpers, speciell die leuchtende Farbe 
des nackten Körpers zur Geltung zu bringen. 
Wenn wir nun auf das Wirken Makart's auf dem Gebiete der deco- 
rativen Kunst und des Kunstgewerbes übergehen, so muss vorher die 
Thatsache registrirt werden, dass Makart den nachhaltigsten Einduss auf 
diese Zweige der Kunst ausgeübt hat. Wir wissen Alle, die Kunst ist 
eine ganze und untheilbare; es gibt keinen Unterschied zwischen großer 
Kunst und Kleinkunst, zwischen der Kunst, welche sich mit der histo- 
rischen Malerei beschäftigt und jener Kunst, welche sich den mensch- 
lichen Bedürfnissen anschließt und heutigen Tages als kunstgewerblich 
bezeichnet wird. Es gibt nur Eine Kunst, sie hat für alle Zweigedie- 
selben Gesetze der Schönheit, dieselben Gesetze der Zeichnung, der Per- 
spective, der Anatomie des menschlichen Körpers, gleichgiltig, ob der 
eine Künstler dieser, der andere wieder einer anderen Richtung sich 
anschließt. Von diesen Gedanken geleitet hat Makart seine Aufgabe auf 
dem Gebiete der Decoration und der Kleinkünste aufgefasst; es gibt eine 
Menge Zweige des Kunstgewerbes, welche von ihm große Impulse
	        
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