Entwurf Michelangelds zum Grabmal des Papstes Julius II. Alles hat
damals in Rom gemeint, dass dieser Entwurf unausführbar sei. Und wie
wäre es gewesen, wenn sich der Künstler durch den Tageslärm hätte ein-
schüchtern lassen und sämmtliche Zeichnungen zu dem Grabmal in den
Papierkorb geworfen hätte? Jetzt, wo wir nur kleine Bruchstücke dieses
kostbaren Werkes vor uns haben, können wir nach dem Werth, welchen
z. B. der Moses und der Sklave für uns besitzen, ermessen, welch" großes
Kunstwerk das Ganze geworden wäre. Man muss den Entwurf eines
großen Künstlers dahin prüfen, ob er richtig und schön ist, ob er aus-
führbar sei, muss man der Gunst der Verhältnisse überlassen. Wenn wir
ein Beispiel biefür aus dem modernen Bauleben anführen wollen, so wäre
es der Entwurf für einen Palast der russischen Kaiserin in der Krim von
Schinkel, der unausführbar, d. h. viel zu großartig befunden wurde. Vorn
Standpunkte des russischen Hofes war diese Ansicht ganz gerechtfertigt,
aber der Entwurf Schinkel's gilt heutigen Tages noch als Vorbild und
wird von Allen, welche sich mit Architektur beschäftigen, als ein höchst
geniales und geistvolles Werk betrachtet, von dem wir Alle lernen können.
Als Maler hat Makart alle Zweige der Malerei umfasst; die Land-
schaft, die Blumenmalerei sowie die figürliche Malerei erhielten durch
seine Hand ein eigenthümliches Gepräge. In der figürlichen Malerei hat
er eine Reihe höchst interessanter, farbenprächtiger Werke hinterlassen,
die ihm ein bleibendes Andenken in der Geschichte der Kunst, speciell
der deutschen, sichern. In der Behandlung des Nackten, namentlich bei
Kindern und bei Frauen, streiften seine Figuren an das Lascive; es kam
dies unbewusst in seine Werke hinein, nicht als ob er die Lascivität
oder die Frivolität angestrebt hätte. Es ist dies begreiflich bei einem
Künstler, welcher der Frauenschönheit huldigte und der bemüht war,
die Schönheit des menschlichen Körpers, speciell die leuchtende Farbe
des nackten Körpers zur Geltung zu bringen.
Wenn wir nun auf das Wirken Makart's auf dem Gebiete der deco-
rativen Kunst und des Kunstgewerbes übergehen, so muss vorher die
Thatsache registrirt werden, dass Makart den nachhaltigsten Einduss auf
diese Zweige der Kunst ausgeübt hat. Wir wissen Alle, die Kunst ist
eine ganze und untheilbare; es gibt keinen Unterschied zwischen großer
Kunst und Kleinkunst, zwischen der Kunst, welche sich mit der histo-
rischen Malerei beschäftigt und jener Kunst, welche sich den mensch-
lichen Bedürfnissen anschließt und heutigen Tages als kunstgewerblich
bezeichnet wird. Es gibt nur Eine Kunst, sie hat für alle Zweigedie-
selben Gesetze der Schönheit, dieselben Gesetze der Zeichnung, der Per-
spective, der Anatomie des menschlichen Körpers, gleichgiltig, ob der
eine Künstler dieser, der andere wieder einer anderen Richtung sich
anschließt. Von diesen Gedanken geleitet hat Makart seine Aufgabe auf
dem Gebiete der Decoration und der Kleinkünste aufgefasst; es gibt eine
Menge Zweige des Kunstgewerbes, welche von ihm große Impulse