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In allen öffentlichen Angelegenheiten nimmt Stroßmayer eine erste
Stelle ein; im vaticanischen Concil war er ein hervorragender Redner.
Wer sich für Stroßmayer interessirt, findet in C. Wurzbach's biogra-
phischem Lexikon des Kaiserthums Oesterreich eingehende und verläss-
liche Daten; leider reichen diese nicht bis in die Gegenwart.
Es wird bald in dem weiten Gebiete der habsburgischen Monarchie
keinen Volksstamm gehen, der sich nicht des Besitzes eines Museums
rühmen könnte, welches seine künstlerischen, historischen und antiqua-
rischen Interessen pflegt. Die meisten Museen besitzen Dalmatien, Ungarn:
Böhmen und Galizien; dagegen sind die Ruthenen, Slovaken, Rumänen
und Serben stiefmütterlich bedacht. Für die Südslaven hat nun Stroß-
mayer in Agram in würdiger Weise gesorgt. Leider mischt sich jetzt
fast überall, wo Museen gegründet werden, die Politik hinein, verrückt
dadurch die civilisatorischen Zielpunkte der Museen, und hindert eine
ruhige Entwickelung derselben. Der Brief, den StroBmayer jüngst an den
Bürgermeister von Laibach geschrieben hat, wäre wohl besser unge-
schrieben geblieben.
Das kunstgewerbliche Museum im Rudolfinum in Prag.
Von R. v. Eitelberger.
Das Rudolfinum in Prag ist eine Schöpfung der um Prag hochver-
dienten böhmischen Sparcasse, hervorgerufen aus Anlass ihres fünfzig-
iährigen Jubiläums. Der Bau wurde von dem Architekten Johann Schulz
im Renaissancestyle ausgeführt. Das Haus ist prachtvoll gelegen. Von
allen Seiten frei, mit einer herrlichen Aussicht auf die Moldau und den
Hradschin, bildet das Rudolfinum eine architektonische Zierde Prag's,
die ohne Zweifel sehr viel dazu beitragen wird, den Fremdenverkehr in
der Hauptstadt Böhmens zu beleben. Der Prachtbau, am r6. September
d. J. eingeweiht, ist der Gesellschaft der patriotischen Kunstfreunde, dem
Conservatorium und dem von der Prager Handelskammer gegründeten
Kunstgewerbe-Museum gewidmet. Das Rudolfinum ist das einzige der Kunst
zugeeignete Gebäude in Prag, wo nicht blos Musiker, sondern auch Kunst-
gelehrte, Kunstfreunde, Künstler und Kunsthandwcrker Räume finden, in
denen sie Belehrung und Anregung holen können. Es kann nicht meine
Sache sein, mich mit allen Anstalten, welche im Rudolfinum der bildenden
Kunst zugewiesen sind, zu beschäftigen, aber ich kann meine Freude
darüber nicht unterdrücken, dass endlich einmal die Gemäldegalerie der
Gesellschaft der patriotischen Kunstfreunde, als deren Vorstand der Maler
Barvitius fungirt, auf eine würdige Weise in Prag untergebracht wird.
Es wurde auch eine sorgfältige Reinigung und Restaurirung der Gemälde
vorgenommen, und zwar durch den hiezu berufenen Restaurator der
königl. Gemäldegalerie in Berlin, Herrn Böh m. Bisher waren die für die