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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 1)

Zu dieser Zerrissenheit und Trostlosigkeit auf dem ganzen Gebiete 
dessen, was wir heute Kunstindustrie oder Kunstgewerbe nennen - 
damals kannte man die Ausdrücke noch nicht - kam nun noch ein 
anderer höchst bedeutsamer Umstand hinzu, der diesen Zustand per- 
manent zu machen und jede Hoffnung auf Besserung abzuschneiden 
schien. Damals, in der ersten Hälfte unseres Jahrhundertes, war es ja das 
große Zeitalter der Erfindungen, der außerordentlichen Fortschritte in 
der Technik, das Zeitalter der Dampfschiffe, der Eisenbahnen, der Tele- 
graphen. Die Maschine hatte die Herrschaft, die Maschine sollte alle 
Handarbeit ersetzen, auch die in der Industrie. Während der Künstler 
die Freiheit der Hand selbst mit ihren Unregelmäßigkeiten und 
Zufälligkeiten liebt und schätzt, sollte jetzt nur gelten, was die 
Maschine tadellos, eben, glatt, gerade, ein Stück genau wie das andere 
geschaffen hatte. Die Wissenschaft der Chemie kam auch zu Hülfe und 
trachtete z. B. dahin, dem Porzellan seinen bläulichen oder milchfarbenen 
warmen Ton zu nehmen und ihm ein farb- und tonloses Weiß zu geben. 
Hinter diesem Geiste verlor alles dasjenige an Werth, was die Hand 
als solche leistete; man verlor Geschmack und Interesse daran und ver- 
lernte es zu schätzen. Da aber, als die künstlerische Noth sozusagen 
am größten war, als in der Industrie das Niveau der Kunst den tiefsten 
Stand erreichte, da kam der Anstoß zur Besserung eben von der Seite, 
von wo die Erniedrigung ausgegangen war. Dampfschiffe und Eisen- 
bahnen, welche vor Allem die Veranlassung gewesen, das Interesse der 
Welt der technischen und maschinellen Seite zuzukehren und von der 
künstlerischen abzulenken, sie waren es auch, welche, einen ungeahnten 
Weltverkehr und Welttransport vermittelnd, den Gedanken der großen 
Universalausstellungen entstehen ließen und seine Durchführung ermög- 
lichten. Ohne sie hätte es keine Londoner Weltausstellung von 185i 
gegeben und ohne diese Ausstellung wäre der Anstoß, welcher nun eine 
reformatorische Bewegung in dem weiten Reiche des Geschmackes her- 
vorrief, ungeschehen geblieben. 
Im Crystallpalast zu London lagen die Dinge der Welt zum ersten 
Male so ziemlich bei einander. Man konnte vergleichen, rnanikonnte Ent- 
deckungen machen und machte auch Entdeckungen. Die eine Entdeckung 
war die, dass Frankreich allen anderen Nationen des Continents, allen 
Staaten der modernen Civilisation in den Dingen des Geschmacks weit 
vorausging, die zweite aber, dass die französische Kunstindustrie, so viel 
sie relativ auch besser sein mochte, doch keineswegs auf absolut rich- 
tigen Wegen ging, dass man es folglich besser und richtiger machen 
und damit Frankreich übertreffen könne. Daneben ging eine dritte Em- 
deckung, die Entdeckung des Orients oder der orientalischen Kunst, in 
welcher man - auf dem beschränkten Gebiet freilich der farbigen 
Flächendecoration - alles das in vollkommener und schöner Weise fand, 
was man an dem gesammten europäischen Geschmack auszusetzen hatte.
	        
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