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Conrad Berg.
Buch, an welchem ein raftlos fleifsiger Mönch wohl fünf Jahre lang gefchrieben
hätte, in einem Tage in mehreren taufenden von Exemplaren, wir geben denfelben
ihrem Inhalte entfprechend mehr oder minder koftbare Einbände und wenn folch
ein Buch, und wäre es auch ein Meifterwerk, zufällig zu Schaden käme oder ver
loren ginge, jede Buchhandlung vermag uns den Verluft zu erfetzen und binnen
wenigen Tagen haben wir wieder das erfehnte Geifteskind, unfer liebgewohn
tes Buch.
Mit dem Fortfehreiten der Cultur fteigert fich das Beftreben geiftiger Mit
theilung in dem Mafse, als das Volk nach geiftiger Nahrung lechzt und fo ift der
Büchermarkt ein Weltbedürfnifs geworden. So geiftig tief verfumpft ift wohl kaum
ein Bewohner der elendeften Waldhütte im Gebiete eines civilifirten Staates, dafs
nicht irgend ein Buch geiftlichen oder weltlichen Inhaltes ihm Troft in feiner Ein-
famkeit gewähren würde, fei es eine Bibel, ein Gebetbuch, ein Liederbuch oder
ein Volkskalender, er nimmt es gewifs in Stunden der Krankheit oder der Mufse
zur Hand und wie er darin blättert und fein vielleicht im Lefen wenig geübter
Blick mühfam die Worte entziffert, fällt allmälig ein Strahl des geiftigen Lichtes
in fein verdüftertes Gemüth und er findet in dem Buche einen theilnehmenden
P'reund, einen willkommenen Tröfter und wohlwollenden Rathgeber.
Der Buchbinder ift fo zu fagen der Kleidermacher des Geiftes und wie im
gewöhnlichen Leben das Sprichwort lautet „Kleider machen Leute“, fo ift es auch
auf Bücher anzuwenden. So manches, oft köftlichen Inhaltes übervolles Buch
wird von dem Kaufluftigen nicht beachtet, weil der Einband fchlecht, wohl gar
gefchmacklos ift, während ein daneben liegendes Büchlein fehr dürftigen
Inhaltes Gnade findet, weil es mit Goldfchnitt und Maroquineinband prahlt
und man einer Dame eine elegante Spende zugedacht hat. Dank dem Zeit-
geifte aber, find den wahren Rittern des Geiftes fowohl, als deren minder
berufenem Trofse bereits auch in Rückficht auf äufsere Erfcheinung entfprechende
Conceffionen gemacht worden.
Die Werke der Claffiker aller Nationen prangen längft lchon in Pracht
bänden in den Auslagekäften der Buchhandlungen und fo winzig ein Poet auch
fein mag, der auf eigene Koften feine Lieder drucken liefs, er fcheute die Mehr
auslage gewifs nicht, feinem Werkchen einen Einband beforgen zu laffen, der
nicht feiten dem Lefer beffer gefällt als der Inhalt des ganzen Büchleins.
Gewifs, jedem gebildeten Befucher der Wiener Weltausftellung fielen defs-
halb, trotz der zahllofen Menge von Kunft- und Naturprodukten, die in der Rotunde,
den Transepten und zahlreichen Pavillons aufgefpeichert war, die gröfstentheils
brillant ausgeftellten Schätze der Buchbinder-Kunft auf, und wohl mancher Bücher
freund fchenkte fchon des geiftreichen Inhaltes mancher Werke wegen den von den
diefsfalligen Arbeitern diverfer Nationen mehr oder minder gefchmackvoll befolg
ten Einbänden volle Aufmerkfamkeit.
Die Siegespalme gebührt unftreitig den in unferem Fache unübertreffli
dien Leiftungen Englands. Lebhaft zu bedauern ift der Umftand, dafs nur
ein britifcher Exponent in diefem Fache fein Vaterland vertrat; doch es war
gewifs ein Würdiger! Jofef Zahns dorf in London hat im edelften Sinne des
Wortes bewiefen, was England in diefem Artikel zu leiften vermag. Doch dort
ift auch für den kunftfinnigen Gefchmack mit Eleganz, äufsere Schönheit mit
dauerhafter Solidität verbindenden Buchbinder der belle Platz.
Der reiche Engländer ift gewöhnlich ein Freund grofser und koftbarer
Bücherfammlungen; für den entfprechenden Einband eines Werkes zahlt er
den namhafteften Preis. Jede vortheilhafte Erfindung, die dem Buche oder dem
Lefer irgend einen praktifchen Nutzen gewährt, wird in England freudig acceptirt
und man fcheut für den diefsfalls nöthigen Apparat keine Koften. Das vortreffliche
englifche Papier und die fo finnig conftruirten, als nett und exakt arbeitenden
Mafchinen gewähren dem englifchen Buchbinder bedeutende Arbeitserleichterung.