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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 4)

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ein schmales Händchen sind die zwei Nüancen des rothen Holzes durch einen 
üppigen Rococo-Rahmen getrennt, dessen Contournirungen und Recontour- 
nirungen in grünem Holze eingelegt sind, während das krause Muschel- 
werk dazwischen gelb erscheint. Die Zeichnung ist überall innerhalb der 
gelben und grünen Farbentöne durch Schraffirung hergestellt und diese 
durch eine schwarze Niellomasse ausgefüllt. 
Wenn uns in der maßvollen Silhouette eine Reaction gegen das 
Rococo der Vierziger Jahre entgegenzutreten schien und vollends in der 
Marqueterie mit den hellen und zarten, gelblich und rüthlich getönten 
Blumenmustern jene neue Stylweise sich ankündigte, die man mit den 
Namen Louis XVI. und Marie Antoinette in Verbindung zu bringen 
pflegt, stoßen wir bei Betrachtung der inneren Eintheilung des Möbels 
in völlig contrastirender Weise auf die ganze launenhafte Willkür, welche 
die Gesellschaft des nächstvorangegangenen Zeitalters und ihre Hervor- 
bringungen kennzeichnet. Nach OeEnung des Hauptverschlusses lässt sich 
die vordere Hälfte der Tischplatte als Schreibhrett zurücklegen, zu 
welchem Zwecke sie mit einem goldgepressten Lederüberzuge tapezirt 
erscheint. Ein Druck auf zwei eiserne Klammern lässt die hintere Hälfte 
der Tischplatte etwa um 3 Cm. emporspringen, wodurch ein in vier Schieb- 
laden getheilter und in der gleichen Blumenmarqueterie verzierter Auf- 
satz zu Tage tritt. Um den entsprechenden Raum an der Vorderseite 
des Kästchens nutzbar zu machen, wurde jene die Urkunde bergende 
Schieblade eingefügt, welche die rechte Seitenwand durchbricht; unter- 
halb derselben ist endlich eine nach der Vorderseite sich öffnende und in 
Angeln bewegliche Lade angebracht: eine verwickelte Raumdisposition, 
die sich allenfalls an den wunderlichen ein- und ausgeschweiften Rococo- 
cornmoden älteren Styles rechtfertigen ließ, aber Angesichts der mäßig ge- 
schwungenen Wände unseres Kästchens zumindest unnöthig erscheint. 
Versuchen wir nun die Entstehungszeit des Möbels innerhalb mög- 
lichst enger Zeitgrenzen festzusetzen. Die letzten Jahre haben mehrfache 
Specialuntersuchungen auf diesem Gebiete gezeitigt. Namentlich war es 
von den Franzosen Alfred de Champeaux, der in verstreuten kleineren 
Monographien den Stoff nach verschiedenen Seiten hin behandelte, tso 
dass er in seinem jüngst erschienenen Buche: rLe Meubleu eine zusammen- 
hängende Darstellung desselben bieten konnte. Empfangen wir von dieser 
Seite wichtige Aufschlüsse aus Urkunden, Rechnungen und Meister- 
büchern jener Zeit, so kommt uns anderseits der Umstand zu Statten, 
dass die Bestimmung des ausführenden Meisters bei Werken aus der 
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nur in seltenen Fällen Schwierig- 
keiten unterliegt, indem durch eine bereits im Jahre 1751 erlassene Or- 
donnanz Louis XV. jedem Ebenisten unter Androhung der Confiscation 
des beanständeten Objectes und einer Geldstrafe von 20 Livres im Unter- 
lassungsfalle vorgeschrieben wurde auf särnrntliche aus seiner Werkstatt 
hervorgehende Möbel seine Stainpiglie zu drücken. Diesem Umstande
	        
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