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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 9)

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(Vorlesungen) Am 4. und ll. März hielt Hofrath J. v. Falke zwei Vortrage: 
ildeen zur Geschichte des Wohnhausesu. Die beiden Vorlesungen hatten den 
Zweck nachzuweisen, dass auch in diesem bisher vernachlässigten Zweige der Cultur- 
und Kunstgeschichte sich ein bestimmter Gang nachweisen lasse, welcher zur Erklärung 
der großen Mannigfaltigkeit der Hauserformen führe, wie wir sie gegenwärtig in allen 
Landen finden. Selbstverständlich wurde in dieser Untersuchung nicht der Nachdruck 
auf Facade und Decoration, sondern auf den Grundriss, auf die innere Gestaltung und 
Anordnung gelegt. Der Vortragende begann mit dem prähistorischen Hause und führte 
seinen Gegenstand bis auf die Gegenwart herab. Er fand die Grundlage der nachfol- 
genden verschiedenartigen Gestaltung in zwei Grundformen: dem nördlichen Hallenhause 
und dem südlichen Hofhause, deren Formen einander gegensätzlich sind. Jenes vereint 
ursprünglich alles in einem Gemach, unter einem Dach; dieses lagert die Wohnräume 
um einen offenen viereckigen Hof. Die Ausbildung beider Grundformen wurde vom Vor- 
tragenden ausführlich in der ersten Vorlesung dargelegt, indem er für das südliche 
Hothaus als Phasen und Varianten der Entwickelung den altagyptischen Palast, das Königs- 
haus.der Heroenzeit, wie es von Schliemann in Tiryns entdeckt worden, und sodann 
das griechische und das griechischeitalische Haus von Pompeji in den charakteristischen 
Zügen schilderte. Das nordische Haus. das sich noch heute erkennbar im niedersächsi- 
schen Bauernhause zeigt, wurde ebenfalls aus der einen Halle, welche Anfangs Mensch 
und Hausthier vereinte, bis zu jener Gestaltung entwickelt, die aus den nordischen Sagen 
und Liedern klar zu entnehmen ist. Wie nun unter den-i Einüusse der Cultur und zum 
Theile auch der Kunstgeschichte, welche erstere immer größere und individueller: Be- 
dürfnisse erweckte, durch den Kampf und die Vermischung beider Grundformen die 
heutige Mannigfaltigkeit sich bildete und erklären lasst, das bildete den Gegenstand der 
zweiten Vorlesung. Als besonders charakteristisch und lehrreich zeigte sich die Ent- 
wickelung des Schlosses und des städtischen Hauses in England, welche, parallel der 
Ausbildung des socialen Lebens, förmlich einen logischen Gang gehen. Aehnlich ist es 
im Süden mit dem orientalischen Hofhause, dessen Hohe sich im Palaste der Alhambra 
noch heute vollendet zeigt. Bei der Besprechung des norddeutschen und mitteldeutschen 
Hauses wurde auch auf das bäuerische Gebirgshaus und seine Eigenthümlichkeit gebüh- 
rende Rücksicht genommen. Das griechisch-italische Haus wurde weiter durch die Ge- 
schichte verfolgt, seine Umbildung im Mittelalter und durch die Kunst der Renaissance, 
welche Einflüsse ihm seinen Charakter als Hofhaus nicht haben nehmen können, dar- 
gelegt. Schließlich gedachte der Vortragende sowohl an dem alten Wiener Hause wie 
überhaupt in den Stadten der Alpen und südlich der Donau, noch einer Fülle von Re- 
miniscenzen, welche aus dem antiken Hofhause, somit aus der Romerzeii, sich herleiten. 
Halten doch unsere viereckig um einen Hof gelagerten Meierhöfe und biuerischen An- 
siedelungen noch den Grundriss der römischen Villa rustica fest und ist unser Haus- 
meister in Wien noch der legitime Nachfolger des römischen Ostiarius! '
	        
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