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Die Renaissance und Barocke ging in diesen Reliquiaren wohl auch
zu ihrer modernen Sargform über; so in dem Sarge des heil. Johann
von Nepomuk im St. Veitsdome, so in der Stiftskirche von Strahov.
Aber als eine volle unästhetische Verirrung der Barocke muss ich jene
Glaskästen bezeichnen, in denen die mit Brocat, Edelsteinen, Glasflüssen
und Flitterwerk umgebenen Skelette ausgestellt sind, wie in Wien bei
St. Augustin, St. Stefan (St. Valentinscapelle) und in manchen anderen
Kirchen.
Kehren wir zu erfreulicheren Werken zurück. Das herrlichste, aus
dem Sarge entstandene Grabdenkmal des deutschen Mittelalters, das
aber zugleich in seinen Formen das Durchbrechen der Renaissance,
richtung kennzeichnet, das Sebaldusgrab des Peter Vischer in Nürnberg,
kennen Sie Alle. Die Gothik hat hier noch einmal in voller Pracht sich
entwickelt. die Renaissance meldet sich an. Nenne ich Peter Vischer's
mitstrebende Zeitgenossen Adam Krafft ("j 1507), Veit Stoß (T 1542)
und Albrecht Dürer, so geht demjenigen, der nur einigermaßen die
Kunstgeschichte jener Tage kennt, eine Perspective herrlicher Werke,
auch in der Plastik, auf, die bis nach Krakau hinüber reicht; hier ist
der Ausgangspunkt für herrliche Schöpfungen, die aber nicht rnehr in
den Rahmen meiner Betrachtung gehören, ich meine die Grabdenkmale
und schließlich die Denkmale überhaupt.
Es ist billig, da ich nun schon einen Maler zugleich mit dem Pla-
stiker angeführt habe, dass ich gleich nach dem plastischen Meisterwerke
ein Meisterwerk der Malerei erwähne, ich meine den Ursulaschrein,
auf dessen sechs Felder der berühmte Hans Memling die Legende der
heil. Ursula gemalt hat. Es ist ein spätgothischer, kirchenähnlicher
Schrein: in den Gemälden hat Hans Memling den Höhepunkt seiner
Kunst erreicht, das schönste darunter dürfte die Ankunft der Heiligen in
Rom sein. Einen ähnlichen Kasten besitzt die Pfarrkirche Strälen in
Cleve, mit kostbaren Miniaturen auf den vier Seiten; dann der Dom
von Fritzlar. Ein gemalter großer Reliquienschrein, unter dem man hin-
durchgehen und die im Durchgange befindlichen Bilder sehen konnte,
befand sich ehedem in der Capelle der Burg zu Neustadt, nun im
Neukloster.
Da die aus Holz, Bronze oder Edelmetall verfertigten, mit Walm-
dach versehenen Särge öfter in Procession herumgetragen wurden, be-
mächtigte sich die bildende Kunst dieses Motives. Der schön gearbeitete 4
Reliquienschrein stand auf einer Bahre, die von vier Bildsäulen auf den
Schultern getragen wurde; es sind dies oft in Erz ausgeführte Statuen
von Klerikern ') oder Engeln.
') Aus'm Wcenh, Taf. XXXVHI, I; Mitth. d. Central-Comm. IV, Tnf. Vlll; Bock,
Pfalzcapelle l, 2, Fig. 14; - Bock, Taf. XV, 56; Aus'm Wecrth, Taf. LVl, 2.