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Weit bis in das 17. Jahrhundert hinein lassen sich in Europa die
letzten Ausläufer der Maureske verfolgen. Indem allmälig ihre Einzeln-
formen bereichert und vermehrt wurden, stellte sich auch das Bedürfniss
ein, von einer bloßen Vervielfältigung ihrer Grunclmotive abzusehen, und
einem lediglich gehäuften Schnörkelwerk auszuweichen. Allmälig machte
sich das Hervortreten entschiedener Anklänge an natürliche Pflanzenformen
bemerkbar, und so kam es, dass die Schöpfungen der späteren rnauresken
Ornannentik, obgleich ohne äußere Beeinflussung, sich weiterbildend in
mancher Hinsicht "ihren viel älteren orientalischen Urbildern näher ge-
bracht wurden, und so die maureske Kunstweise in der That, wie ich
schon zu erwähnen die Gelegenheit hatte, eine retrograde Bewegung ein-
schlug, ohne deshalb an künstlerischer Vollendung einzubüßen. Wer von
den Ornamenten des 17. Jahrhundertes mit dem nur mehr leise sich
bemerkbar machenden Spuren der Maureske ein Beispiel besonderer Schön-
heit vergegenwärtigen will, der findet ein solches an dem kostbar gestickten
Messornate, angeblich in Salzburg verfertigt, welches im Jahre 1638 von
Bürgern zu Linz der dortigen Stadtpfarrkirche zum Geschenke gemacht
_ wurde.
Trotz der Lebenskraft, welche der Maureske innewohnte und sie fast
bis zu ihrem letzten Aufflackern in ungeschwächter Schöne erstrahlen
ließ, ging sie doch unter, als eine neue Ausdrucksweise der Farben- und
Formensprache die Oberhand gewann: die nun zur Herrschaft gelangende
Barocke. Von hier ab gab es keine Maureske mehr.
Der neuen Zeit war es vorbehalten, wieder auf die orientalisirenden
Zierformen des 16. Jahrhundertes zurückzukommen.
Von der schrittweisen Weiterbildung derselben, von ihrer einfachsten
Gestaltung ausgehend, dürfen wir mit Recht manch' Gutes hoffen. In ihr
ist einer jener Anknüpfungspunkte gefunden, von welchem aus es gelingen
mag, die ununterbrochene traditionelle Entwickelung undVervollk0mmnung
der gestaltenden Kunst auf's Neue zu sichern, und jenen Eklekticismus im
schlimmen Sinne, der nur ein Tappen und ein Irren bedeutet,
unmöglich zu machen.
Mögen sich dann die Ausdrucksformen der Kunst auch im Laufe
künftiger Jahrhunderte ändern wie sie wollen, sie werden nur den Ausdruck
dessen bilden, was durch die Gesammtsumme der Erfahrungen vom An-
beginne ihrer Schöpfung her als giltig sich erwiesen hat; der Ausdruck
dessen, was wir als Schönheitsgesetz zu jeder Zeit ahnen; dessen
Bedingungen wir nur schrittweise der Erkenntniss näher bringen können;
dessen erste Gründe stets vollkommener zu erforschen, wohl eine der besten
Aufgaben unserer Zukunft sein wird.