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ragender Weise der Seide zukommt, deren Gewinnung uncl Verarbeitung
damals auf Asien beschränkt war. In welcher Weise sollten nun etwa
die reichen Gewandborduren, denen wir auf antiken Vasengemälden
begegnen, hergestellt worden sein, wenn nicht durch Stickerei?
Die ersten annähernd datirbaren Funde wurden zwar schon um die
Mitte des Jahrhunderts auf dem Boden der Krim'schen Halbinsel gemacht,
aber erst im Jahre 188i in befriedigender Weise publicirt. Sie erwiesen eine
sehr vorgeschrittene Textilkunst für das hellenistische Zeitalter, namentlich
erbrachten sie aber den Beweis, dass die pontischen Griechen auch die
Kenntniss der sogenannten Gohelinweberei besaßen. Damals blieb diese
Wahrnehmung von Seiten der Forscher noch ziemlich unbeachtet, trotzdem
in mehrfachen europäischen Kunstsammlungen, namentlich im British
Museum und in Turin, seit vielen Jahrzehnten Textilüberreste altägyp-
tischer Herkunft aufbewahrt wurden, die den aufmerksamen Beobachter
längst hätten belehren müssen, dass diese Technik, für die wir Deutsche
leider nicht mehr den ursprünglichen Namen besitzen oder wenigstens
nicht anwenden '), zu den ältesten Kunsttechniken gehört, die wir über-
haupt nachzuweisen im Stande sind. Die Turiner Sammlung datirt aus
den Tagen der ägyptischen Expedition Bonapartds. Wilkinson (Ancient
Egyptians r854) hatte von ihr Kunde; er erwähnt auch die zu seiner
Zeit in England befindlichen aus Saqqarah und Theben stammenden
Denkmäler der berührten Technik (neue Ausgabe II, x76), hält aber
das vorhandene Material für zu ungenügend, um ein abschließendes
Urtheil abgeben zu können. Samuel Birch, der Wilkinson's Werk 1878
neu herausgab, macht zu einem ausführlich beschriebenen Stücke aus
englischem Privatbesitze die zurückhaltende Bemerkung, dass es ihm,
wenngleich aus dem ägyptischen Alterrhume, so doch nicht aus pharao-
nischer, sondern vielmehr aus griechischer oder römischer Zeit zu stammen
scheint. Da brachten im Jahre 1882 die Massenfunde aus ägyptischen
Gräbern, die sich gegenwärtig im Oesterr. Museum befinden, volle Klarheit
in die Sache. Das hauptsäichlichste Ergebniss, das die Textilforschung
aus diesen Funden gewonnen hat, ist die Erkenntniss, dass die Decoration
der Gewänder bei den Alten hauptsächlich durch die Gobelinweberei her-
vorgebracht wurde. Diese Technik gestattet die Ausführung der schwie-
rigsten Configurationen durch die unmittelbare Mitwirkung der mensch-
lichen Hand, ohne complicirte Stuhlvorrichtungen, und erzielt dennoch
') Dieser scheint nach schriftlichen Zeugnissen des I5. Jahrhunderxes oWirkerei-
gewesen zu sein, doch ist es bei der Verwirrung, die namentlich durch Bock's Ver-
schulden in der Bedeutung dieses gleichfalls für Weberei und einfadige Texrilproducte
ohne Disrincnon gebrauchten YVorres herrscht, misslich, dasselbe als Terminus technicus
für die Gobelinweberei einführen zu wollen. Letzteres Wort ist aber namentlich mit
Rucksicl-n auf die alle Verwendung ihrer Erzeugnisse zum Gewandschmucke gegenüber
der ganz verschiedenen zur Wandbekleidung, wie sie die Manufncture des Gobelins aus-
schließlich irn Auge haue, durchaus nicht am Platze.