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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe I (1886 / 12)

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Der altchristliche Gräberschmuck, ein Beitrag zur christlichen Archäologie. 
Von Adolf Hase nclever. Braunschweig, C. A. Schwetschke 8c Sohn, 
1886. 8". 264 S. 
Die vorliegende Untersuchung, als Jubiläumsgabe für die theologische Facultät in 
Heidelberg veröffentlicht, ergibt sich als eine größtentheils kunstgeschichtliche Arbeit, 
welche die eminente Bedeutung der antiken Kunst für die Entwickelung der altchristlichen 
Decorationsweise klar zu machen bemüht ist. Hasenclevefs Hauptverdienst scheint mir 
darin zu liegen, dass er den Erscheinungen der ersten Jahrhunderte nicht. wie sonst 
vielfach geschehen ist, Deutungen iiufdrängt, die sich erst aus der voll entwickelten 
christlichen Lehre ergeben, wie sie nach der Entwickelung mehrerer Jahrhunderte da- 
gestanden hat, sondern dass er stets zwangslose Erklärungen gibt, indem er an das 
anknüpft, was die ersten Christen in Rom täglich von antiker Cultur, insbesondere von 
solcher Kunst vor Augen hatten, an das, was ihnen sonst vom antiken Leben her geläufig 
sein musste. Denn sicherlich nicht haben die ersten Christen ihre Tage und Nächte nur 
betend in den Katakomben zugebracht. Sie haben doch damals ebensowenig als wir 
heute sich dem allgewaltigen Einflusse ihrer Zeit entziehen können. Römisch-antikes 
Leben wogte um sie her und trug sie mit sich fort, ob sie nun Viclerlei an jenem 
Leben verabscheuen mochten oder nicht. Was sie von Decorationsmotiven sahen, etwa 
an antiken Sarkophagen oder in Grabkammern, darein haben sie sich gewiss viel Weniger 
vertieft, als es die heutigen Archäologen gethan haben. Die ersten Christen waren wohl 
keine Kunstgelehrten und haben den handwerksmä ig hergestellten antiken Särgen und 
Wandmalereien keine profunde Hermeneutik gewidmet. Wie wenig Verstfindniss zeigt 
nicht gegenwärtig der Ungebildete für decorative Werke der bildenden Kunst! Wie Jeder 
weiß, der kunstgeschichtliclien Unterricht genossen und ertheilt hat, muss sogar dem 
gebildeten Geiste das Sehen in dem Sinne erst gelehrt werden, als es zu einem Fest- 
halten und einer Deutung von kleinen Merkmalen führen soll. Der Blick jener ältesten 
Christen glitt eben über tausend althergebrachte, gewohnte Gestalten hinweg, ohne 
besondere Reflexion. Und die Handwerker wiederholten die Gestalten, die ihnen geläufig 
waren und deren Bedeutung sie nicht kannten, ebenso gut für christliche wie für heid- 
nische Gräber. Hasenclever steht durchaus auf dem eben skizzirten Standpunkte, den 
er in einer längeren Einleitung dem Leser klar macht. 
Das Beweismaterial, das er in der eigentlichen Untersuchung verwendet. ist 
methodisch beigebracht. Sehr richtig beginnt er damit, dem Leser in Erinnerung zu 
bringen, was für ein Sepulcralwesen die Christen der ersten Jahrhunderte von früher 
her vorgefunden haben. Die Bestattung bei den Juden wird im ersten Capitel gewürdigt. 
Verdienstvoll sind die folgenden Abschnitte über den Begräbnisscult bei den Griechen 
und Römern. Hasenclever gibt uns eine Uebersicht über die Decorationselemente der 
antiken Grabstätten und weist dann bei Betrachtung des altchristlichen Sepulcralwesens 
darauf hin, dass viele Motive ganz ohne Umstände von der heidnischen Kunstübung her 
beibehalten sind, dass also eine Deutung jener Motive mit Unterlegung christlicher Ge- 
danken sich schwer halten lässt. Sehr sorgsam ist auch der Vergleich der Gebräuche 
während und nach den Begräbnissen bei den heidnischen Römern und bei den Christen 
ausgearbeitet. Manche Analogien sind in die Augen springend. Und nun erst die In- 
schriften. Dieselben Formen und Formeln, bei Christen wie Heiden. Etwas zu wenig 
Gewicht, so scheint mir, legt Hasenclever darauf, dass die Beerdigung der Leichen 
von den Juden herübergenommen ist. Vielleicht hat er nur auf die Ausführung dieses 
Punktes vergessen. Denn sein valtchristlicher Gräberschmuckc ist, wenngleich sorgfältig 
vorbereitet, doch anscheinend ziemlich rasch hergestellt, wie das zahlreiche Druckfehler 
und manche andere kleine Nachlässigkeiten verrathen. (So möchte z. B. die Ueberschrift 
des dritten Capitels: inDie Ergänzung der literarischen und monumentalen Quellen-t zu 
verbessern sein, da jenes Capitel doch von der gegenseitigen Ergänzung der Quellen 
handelt und nicht etwa neu erschlossene Quellen den bisher bekannten beifügt.) 
Verhältnissmäßig lange verweilt der Autor begreiflicherweise bei der künst- 
lerischen Ausschtnückung der Katakomben. Die einzelnen Gestalten, die bisher symbolisch 
gedeutet worden sind, wie Adler, Fisch, Taube, Pfau, Delphin, Ochse, Hase, Pferd, Hahn. 
Hirsch, und Darstellungen von Gegenständen, wie Anker. Wagen und Fässer._ Schiffe 
u. s. w., werden der Reihe nach kritisch durchgenommen. Zumeist wird dabei die ältere 
Deutung gründlich erschüttert. Nur ausnahmsweise lässt Hasenclever eine symbolische 
Bedeutung gelten (so für den Anker), wogegen die übrigen aufgezählten Darstellungen 
höchst wahrscheinlich, wie früher im heidnischen Gräberschmucke, nichts Anderes 
bedeuten als Beziehungen auf den Stand oder auf den Namen des Verstorbenen. Victor 
Schultze hat vor einigen Jahren schon ähnliche Behauptungen aufgestellt. Hasenclever 
klärt die Begriffe mehr dadurch, dass er nicht überall und um jeden Preis erklären 
will, sondern dass er auf die Wurzeln jener Darstellungen hinweist, aus denen sie am 
meisten naturgemäß bervorwachsen konnten, Dabei fehlt es nicht an Ausfällen auf die
	        
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