EINLEITUNG
Wir können annehmen, daß es insgesamt mehr Porzellan mit gefälschten als mit echten
Marken gibt. Die Kunstgewerbeliteratur geht darauf nur am Rande ein. In Monographien über
keramische Manufakturen finden wir manchmal ein Kapitel über Fälschungen, in Katalogen
einen entsprechenden Anhang, doch gibt es derzeit in der keramischen Fachliteratur meines
Wissens keine einzige Monographie, die sich allein mit einer Porzellanmanufaktur und der
Fälschung ihrer Produkte bzw. ihrer Marken befaßt.
Aus den keramischen Adreßbüchern vom Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts
wissen wir, daß sich viele Unternehmen auf die Herstellung von Porzellan im Stil berühmter
alter Manufakturen spezialisierten: „Alt-Meißen”, „Alt-Wien”, „Alt-Sevres” (oder, vor
nehmer ausgedrückt, „Vieux Vienne”, „Vieux Meissen” bzw. „Vieux Saxe”, „Vieux
Sevres”). In diesen Quellen wird natürlich nicht angegeben, daß viele dieser Firmen neben
dem Stil auch die Marke der vorbildhaften Manufakturen kopierten bzw. fälschten.
KUNSTFÄLSCHUNG, KUNSTVERFÄLSCHUNG, KUNSTBETRUG
Der Begriff der Fälschung (von Kunstgegenständen) stammt nicht aus dem Markenrecht,
sondern aus dem Strafrecht und wird dort aus dem Begriff der Urkundenfälschung abgeleitet.
In seinen Ausführungen zu „Kunst und Recht” stellt G. Picker unter dem Titel „Gesetzliche
Bestimmungen gegen Kunstfälschungen und Kunstpreismanipulation” fest: „Wer zur Täu
schung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder
eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird - so bestimmt es § 267 des Strafge
setzbuches - mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Picker bezieht
sich dabei auf das deutsche Recht, dem das österreichische in diesem Punkt entspricht
(Picker 1976, S. 1652); er meint weiter: „Der Versuch ist strafbar. Kunstobjekte sind dann Ur
kunden, wenn sie signiert oder sonstwie durch den Künstler gezeichnet sind. Um nach
§ 267 StGB strafbar zu sein, muß der Fälscher daher Kunstobjekte herstellen, die ein falsches
Signum oder eine sonstige falsche Kennzeichnung tragen. Es wird also über den Künstler ge
täuscht.
Ein echtes Kunstobjekt wird verfälscht, wenn das signierte Werk eines Künstlers in seiner ge
danklichen Aussage verändert wird. Hierunter fallen die verändernde Restaurierung, die ver
ändernde Übermalung oder Verbesserung. Wer also in ein Landschaftsbild ohne Figuren
Leute hineinmalen läßt und damit das signierte Bild in seiner gedanklichen Aussage ver
ändert, der fälscht...”
Da das Gros der Wiener Porzellan-Fälschungen bereits im späten 19. und frühen 20. Jahr
hundert entstand und die Herstellerfirmen heute kaum mehr zu eruieren sind, wird der Tatbe-
stand von der „Herstellung einer unechten Urkunde” (in unserem Fall des Porzellans mit ge
fälschtem Bindenschild) kaum zum Tragen kommen; eher noch jene Bestimmung, daß auch
derjenige strafbar ist, der „von einem unechten oder echten, verfälschten Kunstobjekt Ge
brauch macht” (Picker 1976, S. 1652). Wesentlich in diesem Zusammenhang ist auch: „Wer
falsche Angaben über frühere Auktionen, Ausstellungen, Preise, Originale, Expertisen, Zu-
4 stand, Auflage, Echtheit, Herkunft, Restaurierung, Übermalung, Ergänzung eines Kunst
objektes macht oder sonstwie darüber falsche Vorstellungen hervorruft, der täuscht. Wahre
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